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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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stand unentschlossen da. Emily drehte sich um, sie würde jetzt jedenfalls gehen. »Na dann. Wir sehen uns.«
    In diesem Augenblick kam von Marcus ein seltsamer, halb erstickter Laut. Er taumelte rückwärts, stolperte und fiel hin. Sein Mund war halb geöffnet, und Emily erschrak fürchterlich, als er in einem hohen Tonfall zu wimmern begann, bei dem sie überall Gänsehaut bekam.
    Zuerst Emily, dann Simon stürzten hin und knieten neben ihm nieder.
    »Marcus, was ist los?«
    »Hey, alles in Ordnung?«
    »Was ist los? Was ist mit dir?«
    »Irgendwas mit seinem Kreislau-«
    »Brauchst du einen Arzt? Simon, er ist ganz blass.«
    Das lang gezogene Wimmern wurde zu einem stotternden Husten. Marcus hatte bisher geradeaus gestarrt, jetzt verdrehten sich seine Augäpfel. Sein Mund ging zu, dann öffnete er sich wieder. Marcus schien etwas sagen zu wollen.
    »Hey, was ist denn, Kumpel?«
    »Kannst du dich aufsetzen? Vielleicht sollten wir ihn da auf den Absatz am Fenster setzen, da könnte er sich -«
    Auf diesen Vorschlag reagierte Marcus wieder mit dem halb erstickten Laut. Er schlug mit seinem Kopf wie ein Wahnsinniger hin und her. »Nein, nein – da...«
    »Wo? Da... da draußen?«
    »Hast du was gesehen?«
    »Was ist da, Kumpel?«
    Schließlich hörte das wilde Augenrollen auf und Marcus kam wieder zu sich. Er blickte von Emily zu Simon und dann noch einmal von Simon zu Emily. Er schluckte und sagte: »Geht nicht ans Fenster... er könnte euch sehen.«
    »Wer? Ist da draußen wer?«
    »Ich hab ihn gesehen, unten am Graben, wie er hochgeschaut hat. Vielleicht hat er mich gesehen!«
    »Wer? Wen hast du gesehen?«
    Marcus holte tief Luft. Dann sagte er mit einer Stimme, die kaum ein Flüstern war:
    »Meinen Vater.«

12
    E inen Augenblick lang starrten Emily und Simon Marcus sprachlos an. Dann richtete Simon sich auf.
    »Dein Vater ist da draußen?«, fragte er ungläubig. »Dein Vater? Ach, komm schon!«
    »Ist er aber! Geh nicht zu nah ans Fenster! Simon, tu’s nicht!«
    »Ich pass schon auf, keine Sorge. Niemand wird was merken...« Er presste den Rücken an die Mauer, stieg auf den Absatz vor dem Fenster, rückte vorsichtig näher an den Lichtschlitz heran und spähte hinaus.
    »Tatsächlich, da ist jemand«, sagte er. »Ein großer Kerl, neben dem Tor. Mehr kann man nicht erkennen. Wie kommst du drauf, dass es dein Vater ist, Marcus?«
    »Weil ich meinen Vater erkenne, wenn ich ihn sehe! Mein Gott, wie hat er mich bloß gefunden?«
    »Komm noch mal her und schau hinaus. Du musst dir ganz sicher sein.«
    »Niemals. Er wird mich sehen.«
    »Marcus, das ist ein schmaler Schlitz und wir sind zehn Meter hoch. Wenn du nicht deine Nase durch die Spalte steckst, kann er dich nie und nimmer entdecken. Ich möchte, dass du noch mal rausschaust und bestätigst, dass es wirklich dein Vater ist. Kommt mir äußerst unwahrscheinlich vor, dass er hier auftaucht, außer du hast ihm erzählt, wo du dich die letzten paar Tage rumgetrieben hast.«
    »Hab ich natürlich nicht! Aber er ist es -«
    »Komm und guck noch mal genau hin!«, knurrte Simon.
    Mit den Bewegungen eines Schlafwandlers stand Marcus vom Boden auf und machte einen Schritt zum Fenster. Simon rückte zur Seite, sodass er sich in der Fensterbucht behutsam nach vorne schieben konnte. Marcus warf einen Blick durch den Spalt und sprang mit einem Aufschrei zurück.
    »Ist er es?«, fragte Emily.
    Marcus nickte stumm. Simon schüttelte den Kopf.
    »Aber wie, verdammt noch mal...? Ich versteh das nicht. Aus dem Weg. Ich will sehen, was er macht.«
    Er nahm wieder seinen Beobachtungsposten ein. Marcus ließ sich neben Emily auf den Boden plumpsen.
    »Er wird gleich reinkommen und mich holen«, sagte er niedergeschlagen.
    Emily griff nach seiner Hand. »Wie soll er das denn machen können.« Sie bemühte sich um einen vernünftigen und sachlichen Tonfall, aber ihre Stimme war hoch und gepresst. »Er hat doch gar keinen Schlüssel.«
    »Harris könnte ihm einen gegeben haben.«
    »Jetzt spinn mal nicht! Dann wäre Harris auch dabei.« Emily fühlte sich in ihrer Rolle allmählich wohler. »Und woher soll er denn wissen, dass du hier bist? Er sucht überall nach dir, das ist alles. Wenn wir uns ganz ruhig verhalten, wird er irgendwann gehen.«
    »Was für ein Auto hat dein Vater?«, fragte Simon plötzlich.
    »Einen Ford Fiesta. Blau.«
    »Dann ist er es, ich kann das Auto auf dem Parkplatz sehen.«
    »Und was macht er?«, fragte Emily. »Rumgucken?«
    »Ja. Steht in der Gegend

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