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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Fenster führte, stand eine dunkle, gebeugte Gestalt, die ihren Kopf schnell hin und her drehte.
    Mitten in der Bewegung erstarrte der Kopf plötzlich. Die Gestalt schaute genau in Emilys Richtung.
    Der Feind hatte die Burg gestürmt.

15
    E mily schrie auf und deutete mit dem Finger; selbst mitten in dem Sturmgeheule war ihr Schrei noch zu hören. Marcus und Simon verstanden sofort. Simon sprang von der Mauer herunter. Marcus drehte sich um, erblickte die Gestalt auf der anderen Seite des Rittersaals – und wich entsetzt zurück. Als er Emily anschaute, hatten seine Augen einen fiebrigen Glanz.
    Aber die Gestalt hatte auch sie entdeckt. Emily sah, wie der Mann nach links zum Turm rannte, ein mächtiger dunkler Schatten, der zwischen den Säulen des Mauerumgangs blitzartig auftauchte und wieder verschwand.
    »Rennt weg!«, brüllte sie. Marcus und Simon kamen in ihre Richtung gesaust, Marcus ein paar Schritte voraus. Er machte einen Sprung über die Eisfalle, rannte weiter. Simon machte auch einen Sprung über die Eisfalle, rannte weiter. Schneeflocken wirbelten um sie herum. Am Turm bog der bedrohliche Schatten ihres Verfolgers um die Ecke. Emily erstarrte vor Furcht.
    Marcus und Simon drängten sich an ihr vorbei. »Weg von hier!«, keuchten sie, aber Emilys Muskeln fühlten sich wie Gummi an. Sie taumelte rückwärts. Der Feind stürmte durch das Schneegestöber direkt auf sie zu, er war schneller, stärker, als sie. Seinen Kopf mit dem Helm hatte er in Kampfstellung vorgereckt, wie ein wildes Tier mit einem Horn, kurz vor dem Zustoßen. Seine Stiefel hämmerten auf den Stein, seine Arme pumpten wie Maschinenkolben, auf und ab -
    Da rutschte er plötzlich aus, schlitterte, krachte auf das Eis und den Stein. Ein überraschter Aufschrei, dann ein Stöhnen. Ein Bein ragte seltsam abgewinkelt durch das Geländer in den Rittersaal, der Stiefel hing in der Luft. Er versuchte aufzustehen, aber Hand und Ellenbogen glitten auf dem Eis ab. Hinter ihm war ein Mann durch die Maueröffnung geklettert und stand jetzt auf dem Umgang. Er sah Emily sofort. Er stieg über seinen gestürzten Kollegen und rannte in ihre Richtung.
    Emily raste zur Treppe. Sie hatte keine Zeit, um einen klaren Gedanken zu fassen, sie eilte nur hinunter, hinunter, so schnell, dass sie ein paarmal die Kurve nicht mehr richtig erwischte und gegen die gewölbte Mauer stieß. Ihr rechter Arm bekam ein paar heftige Schrammen ab, als sie hastig in die Tiefe flüchtete, hinunter in den dunklen Vorratsraum.
    Dumpf donnernde Schritte verfolgten sie, wie Maschinengewehrfeuer knallten hinter ihr die schweren Stiefel auf die Steinstufen.
    Emily rannte durch das Halbdunkel auf den Torbogen zu, der in den Innenhof führte. Ein Vorhang aus Schnee blähte sich dort im Wind.
    Sie hatte ihn fast erreicht, da brüllte eine Stimme hinter ihr:
    »Halt!«
    Sie machte einen letzten Schritt. Dann war sie draußen. Mitten im tobenden und tosenden Schneesturm. Schneeflocken stachen ihr in die Augen, ihre Haut wurde von überall her mit tausend Nadelstichen durchbohrt. Sie befand sich in einem Wirbel und Strudel aus bleiernem Weiß. Der Wind blies in heftigen Böen durch den verfallenen Rittersaal, heulte durch das leere alte Gemäuer, trieb den Schnee vor sich her, wehte vom Boden hoch, und fuhr ihr von allen Seiten in die Glieder. Ihr Schal wurde weggerissen, ihre Haare schlugen ihr ins Gesicht. Sie stolperte, setzte dann Schritt vor Schritt, erst nach links abgetrieben, dann mühsam nach rechts steuernd, wo sie hoffte, hinter dem nächsten Torbogen einen Unterschlupf zu finden.
    Sie konnte fast nichts mehr erkennen. Die Mauern der Burgruine versanken in dem wirbelnden weißen Chaos. Ein plötzlicher lauernder Schatten erschreckte sie, dann nahm er eine vertraute Form an. Es war die Holzhütte. Sie konnte gerade noch ausweichen, tappte unsicher weiter und prallte auf einmal gegen harten grauen Stein.
    Emily drehte sich um und schreckte zusammen. Eine lautlose Gestalt kam auf sie zu, mitten durch den Sturm, näher und näher, einen Arm ausgestreckt.
    Verzweifelt tastete Emily sich an der Mauer entlang, es musste gleich ein Torbogen kommen. Jeden Augenblick konnte von hinten eine Hand auf ihre Schulter fallen.
    Ihre Finger griffen ins Leere; statt der Steine eine gähnende schwarze Öffnung. Mit einem Seufzer glitt sie aus dem Schneetreiben in ruhige, reglose Dunkelheit. Es musste der Raum mit dem Brunnen sein, das spürte sie, es roch modrig und feucht, man glaubte fast, das

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