Die Eiskrone
mich befinde –, als du diese Lumpen von meinem Körper nahmst, damit ich wieder sauber wurde. Dann wärmtest du mich. Aber ich dachte, es sei gut, wenn die anderen nicht wüßten, daß ich wach bin.
Mein Gedächtnis wollen sie mir also nehmen. Und sie haben die Absicht, mich jenen auszuliefern, die meinen Tod wollen. Warum tun sie das Fremden an, die ihnen nichts Böses getan haben?«
»Sie fürchten dein Wissen um ihre Anwesenheit hier.«
»Sind sie Diebe? Oder welche Pläne haben sie, die mein Wissen stören könnte? Es ist die Krone! Sie suchen die Krone! Aber ich sagte dir die Wahrheit – niemand aus nichtköniglichem Blut darf sie berühren, sonst muß er sterben. Wer von unseren Nachbarn hat euch ausgesandt, um Reveny zu vernichten? Seid ihr so unbesorgt oder eurer Aufgabe so verschworen, daß es euch gleichgültig ist, wenn ihr dabei den Tod findet?«
Wenn Roane ihr nicht alles erzählte, begriff die Prinzessin gar nichts. Aber bei einem manipulierten Geist konnte man niemals sicher sein, daß eine wahre Erklärung auch akzeptiert wurde.
»Wir kamen hierher, um einen Schatz zu suchen«, versuchte ihr Roane begreiflich zu machen. »Ich schwöre dir aber, daß es nicht deine Krone war, die wir zu finden hofften. Von ihr wußte ich gar nichts, ehe du mir davon erzähltest. Mir bedeutet sie auch nichts. Was wir suchen, stammt nicht aus eurer Zeit. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll! Ehe Reveny eine Nation wurde, also schon vor sehr, sehr langer Zeit, gab es andere Menschen. Vielleicht sahen sie ganz anders aus als wir, und die letzten von ihnen waren schon verschwunden, ehe unsere Lebensform sich auszubreiten begann.
An manchen Orten ließen sie Dinge zurück, aus denen unsere weisen Männer lernen wollen. Sie sind irgendwo versteckt, und wir wollen sie nun finden. Sie wußten viel mehr als wir. Sie konnten Dinge tun, die wir heute für unmöglich halten.
Jeder solche Fund erweitert unser Wissen. Eines Tages hoffen wir aus ihren Geheimnissen zu lernen. Mein Onkel und mein Vetter – der junge Mann, den du gesehen hast – wurden dafür ausgebildet, solche Schätze zu suchen. Ich wurde dazu erzogen, ihnen dabei zu helfen, denn ich bin von ihrer Familie und werde ihre Geheimnisse wahren. Mit dem, was ich dir sagte, habe ich ein Gesetz gebrochen, und ich werde dafür schwer büßen müssen. Es ist aber nicht deine Schuld …«
»Du hältst es also für schlecht, mir mein Gedächtnis wegnehmen zu wollen?«
»Ja. Und doch …«
»Du mußt dich an deine Gesetze halten, das verstehe ich«, gab die Prinzessin zu. »Aber eines sage ich dir, Roane. Ich werde es nicht zulassen, daß man mir mein Gedächtnis nimmt und mich Reddick übergibt. Ich will auch die Krone nicht verlieren. Du bist für mich ein Feind, dem ich alle Ehre erweise. Soll Krieg zwischen uns sein, dann sage es mir, damit von nun an die Kriegsregeln zwischen uns gelten.«
»Ich will keinen Krieg. Aber mein Onkel und mein Vetter …«
»Ja. Aber was geschieht mit dir, Roane? Werden sie dir dein Gedächtnis nehmen, weil du mir geholfen hast?«
»Vielleicht. Oder sie schicken mich an einen Ort, an dem ich für den Rest meines Lebens in Verbannung leben muß.«
»In ein Gefängnis? Und das willst du dir gefallen lassen?«
»Du verstehst mich nicht. Ihre Macht ist ungeheuer groß, und sie werden mit mir tun, was ihnen paßt.«
Die Prinzessin setzte sich auf. »Du hast doch einen starken Körper und einen raschen Verstand, Roane! Und doch willst du hier sitzenbleiben und darauf warten, daß sie dir das antun?«
Wie sollte sie Ludorica erklären, daß Onkel Offlas sogar den Service zu Hilfe rufen konnte? Vielleicht war die Prinzessin konditioniert, aber ihr eigener Geist schien ebenfalls manipuliert zu sein. Sie war unfähig, zur Freiheit durchzubrechen …
»Bleib hier, wenn du willst«, sagte Ludorica. »Aber ich lasse es nicht zu, daß mit meinem Geist gespielt wird.«
»Wohin willst du gehen?«
»Nach Yatton, wenn es mir gelingt, Reddicks Netz zu entgehen. Er ist sehr dickköpfig und gibt mich nicht freiwillig aus der Hand. Und du – willst du hier darauf warten, ins Gefängnis gesteckt zu werden?«
Roane wußte, daß es für sie hoffnungslos war. Vielleicht ließ Onkel Offlas mit sich handeln, wenn die Prinzessin … Langsam stand Roane auf.
»Wenn ich dir helfe, nach Yatton zu kommen …« Vielleicht konnte sie Ludorica wenigstens vor Reddick schützen.
»… dann, glaube ich, wird weder dir, noch mir das Gedächtnis
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