Die Eiskrone
als jeder andere.«
Es schien sich eine Schwierigkeit abzuzeichnen, als der dritte Mann von einem Spähritt zurückkehrte und berichtete, eine Gesellschaft reite dem nächsten Gasthaus entgegen, und ein Gesicht habe er erkannt. Es sei Kaspard Fancher.
»Ich fürchte«, sagte der Colonel leise, »daß unser gutes Glück uns nicht treu bleibt. Fancher ist …«
»Ich kenne ihn«, unterbrach ihn Ludorica. »Das heißt, daß Reddick annimmt, ich könnte versuchen, König Gostar zu erreichen. Aber ich bin nicht so dumm, wie er hofft. Schön, Fancher mag mit dem Segen und der Hilfe des Herzogs reiten, aber Reddick ist noch nicht König von Reveny, nicht einmal Thronanwärter. Ich bin die Prinzessin, und Imbert Rehling war meines Vaters Freund und Blutsbruder. Er wird mir den Weg zu Gostar ebnen. Das kann Reddick nicht verhindern.«
»Wenn wir Rehling erreichen …«
»Der Hof ist in Gastonhow, also werden alle Gesandten ihm dorthin folgen. Es ist noch früh im Jahr, aber König Gostar liebt seine zweite Königin. Man erzählt, sie schenke ihm bald einen kleinen Prinzen. Deshalb soll sie ja auch die Wasser von Faithwell trinken.«
»Aberglaube!«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. In Faithwell gab es einen Hüter, und das ist bewiesen. Wir kennen viele Fälle, wo Frauen, die schwere Geburten hatten, bei diesen Wassern Hilfe fanden. Gastonhow wurde von der Königin Marget gebaut, weil sie fürchtete, ihr viertes Kind zu verlieren, nachdem die ersten drei bei der Geburt starben. Sie blieb die meiste Zeit in Faithwell und brachte dann ohne Mühe fünf gesunde Söhne und drei Töchter zur Welt.«
»Die Königin Marget ist Geschichte und nützt uns nichts.
Wenn der Hof in Gastonhow ist und Fancher dorthin geht, dann müssen wir besonders vorsichtig sein. Vielleicht schicken wir einen Boten …«
»Warum sollten wir uns nicht eiligst nach Gastonhow auf den Weg machen?«
»Ich muß erst wissen, was uns dort erwartet.«
»Wir wissen doch, daß Fancher uns dort Ärger machen will. Lord Imbert wird ihm keine Audienz beim König verschaffen, und mit Imbert selbst kann er nichts anfangen. Trotzdem könntest du recht haben, Nelis. Wir dürfen unser Vorhaben nicht dadurch gefährden, daß wir unvorsichtig sind. Ich werde dem Boten einen Brief mitgeben, damit er sofort zu Lord Imbert vorgelassen wird.« Aus ihrem Zopf zog sie fünf Haare und knotete sie zusammen. »Nun noch ein Resuahblatt. Lord Imbert wird sich an dieses Spiel erinnern, denn wir haben es oft gespielt, als mein Vater tot war. Er brachte mich damals zu Lady Ansla, welche die Hohe Dame von Kross war. Der König war zu jener Zeit krank und wollte mich nicht um sich haben. Lord Imbert liebt die alten Sagen und hat viele davon gesammelt, damit sie nicht vergessen werden. Eine handelte von Lady Innace. Sie löste einen Fluch mit einem Blatt und fünf verknoteten Haaren.«
Die Prinzessin suchte die Pflanzen am Rastplatz ab und fand schließlich eine Ranke, deren größtes Blatt sie abriß. Sie wickelte ihre Haare darum und reichte es dem Boten.
Mit dem besten Reittier machte sich der Bote auf den Weg, und sie folgten langsam nach. In Paßnähe waren die Hügel dicht bewaldet, und bald kamen sie durch einen von überhängenden Bäumen beschatteten Waldweg, der zu einer breiten, reichgeschmückten Brücke führte. Am anderen Ende der Brücke befand sich ein kleiner, dreieckiger Turm. Auch dessen zwei kleine Fenster waren dreieckig.
»Das ist eine Mautbrücke«, stellte Ludorica fest. »Habt ihr Münzen bei euch?«
Der Colonel nahm einen kleinen Beutel aus einer Tasche. »Hoheit, geht bitte sparsam damit um, denn ich hatte keine Zeit, mich mit mehr Geld zu versorgen.«
Sie öffnete den Beutel und suchte eine Münze heraus. »Die wird genügen. Wir reisen mit reinen Händen und ohne Bosheit im Herzen.«
Am Turm angekommen, warf die Prinzessin die Münze in ein offenes Fenster. »Für die, welche die Brücke bauten, für die, welche darübergehen, für ein sicheres, gutes Ende aller Reisen«, murmelte sie dazu. Sie las eine verwitterte, geschnitzte Schrift an der Holzwand. »Ein Niklas, der Lord von … – das ist nicht mehr zu lesen – hat sie gebaut. Es ist ein gutes Omen, daß ein Niklas unsere Reise schützt.«
Zu beiden Seiten der Straße befanden sich nun hohe Hecken. Sie war breit und wies zahlreiche Hufspuren auf. Später vereinigte sie sich mit einer Straße, die vom Fluß heraufkam und lebhaften Verkehr mitbrachte.
Die Reittiere trotteten müde
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