Die Eiskrone
sind die Kleider ordentlich. Du nimmst das braune hier, und ich werde das blaue anziehen.«
Die Kleider waren sauber, wenn auch ein wenig verknittert. Auch in ihnen hing ein angenehmer Kräuterduft. Da es keinen Spiegel im Raum gab, konnte Roane nur an sich herunterschauen. Sie kam sich jedenfalls in diesen Kleidern sehr seltsam vor. Der Rock war weit und reichte ihr bis zu den Knöcheln; sie war aber an Coveralls gewöhnt, und der viele Stoff um die Beine kam ihr unbequem vor. Das Oberteil saß eng und war von der Taille bis zum Hals mit roten Seidenschnüren besetzt und mit Spitzen verziert. Das Kleid selbst war von hübscher gelbbrauner Farbe. Ein Kapuzenmantel gehörte dazu, der rot gefüttert war, und noch eine eng um den Kopf liegende Haube, die vorne aufgeschlagen und mit winzigen, roten Federchen bestickt war.
Die Prinzessin trug ähnliche Kleider von dunkelblauer Farbe mit hellgrünen Stickereien. Für sie gab es keine Haube, sondern sie kämmte und flocht ihre Haare zu Zöpfen.
Die Prinzessin war recht zufrieden. Wenn sie gegessen hatten, wollten sie reiten. Der Tisch im unteren Raum war reich gedeckt, und Nelis Imfry wartete schon auf sie. Er trug staubgraue Kleidung mit einer engen Kappe, die nur sein Gesicht freiließ.
»Nelis, du!« rief Ludorica.
»Habe ich nicht gesagt, daß ich jeden Stein hier kenne?« meinte er lachend. »Glaubt Ihr, Hoheit, ich ließe Euch allein reiten? Ich habe gute Männer zu Eurer Begleitung herausgesucht. Sie kommen von meinen Gütern und schulden mir Treue in zweifacher Hinsicht – als Grundherrn und als Vorgesetzten.«
»Wenn Reddick erfährt, daß du nicht hier bist, dann wird er …«
»Daran haben wir schon gedacht. Ihr wurdet doch aus Hitherhow entführt. Ich suche also mit einer fliegenden Kolonne nach Euch. Sie wird westlich von Granpabar ausschwärmen, und dorthin wird sich der Herzog wohl kaum wagen. Er weiß, wie sehr der Herr von Granpabar ihn verachtet und ablehnt.«
Die Prinzessin lachte. »Nun, Nelis, dir vertraue ich bedingungslos.«
»Ich hoffe. Euer Vertrauen ist berechtigt, Hoheit. Wir wollen sehr vorsichtig spielen, doch trotzdem kann etwas nicht so laufen, wie wir es wünschen. Seid bitte nicht allzu zuversichtlich.«
»Das habe ich schon oft von dir gehört, Nelis! Ich bin zuversichtlich. Reddick konnte nicht damit rechnen, daß ihm Roane einen Strich durch alle Pläne machte. Natürlich kann ich nicht immer mit soviel Glück rechnen, das weiß ich sehr wohl, aber solange ich Glück habe, wollen wir guten Gebrauch davon machen.«
Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung erfuhr Roane, daß sie nicht allein auf einem Duocorn zu reiten brauchte, weil Bauersfrauen immer hinter den Männern ritten. Die Prinzessin ritt also mit dem Colonel, Roane hinter einem der anderen Männer. Sie hatte unter ihrem Mantel ihren Gürtel mit den Werkzeugen und dem Stunner umgeschnallt, und den würde sie auch niemals aus den Augen lassen, das schwor sie sich. Der Gürtel bewies ihr, daß sie noch immer Roane Hume war.
Manchmal mußten sie ein Stück zu Fuß weitergehen, und zweimal erkundete der dritte Mann das Gelände, ehe sie weiterritten. Roane war froh, daß sie den Mantel hatte, denn der Wind war schneidend scharf, als sie sich dem Paß näherten. Und dann deutete der Colonel den Hügel hinab.
»Das ist jetzt Leichstan. Gastonhow liegt aber gute acht Meilen weiter. Wir werden eine Rast einlegen und die Reittiere auswechseln müssen, ehe wir dorthin kommen.«
»Wir können doch nicht in einem Gasthaus bleiben«, widersprach die Prinzessin.
»Mit übermüdeten Duocorns kommen wir aber nicht weiter«, erwiderte Imfry. »In diesen Kleidern seht Ihr wie eine Frau aus Reveny aus, aber viele Familien an den Grenzen haben Verwandte auf der anderen Seite. Ihr könnt also zu einer Hochzeit gekommen sein.«
»Nein, eine Hochzeit wäre ein Ereignis, von dem jeder wüßte. Besser wäre eine Geburt. Wir können unterwegs Stroh sammeln für eine Babygirlande.«
»Hoheit, ich bin immer wieder erstaunt, wie gut Ihr alle Sitten und Gebräuche kennt.«
»Ein Herrscher muß sein Volk kennen und verstehen, Nelis. Oh, ich weiß, in manchen Ländern glaubt man, ein König sei zu vornehm, um sich mit dem Volk zu beschäftigen. Meine Familie hat noch nie diesem Glauben angehangen.«
»Deshalb blieb sie auch sicher auf dem Thron.«
»Bis heute! Und die dunklen Schatten kommen jetzt auch nicht aus meinem Volk, sondern von meinen nächsten Verwandten. Familienstreit ist bitterer
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