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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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die ihr dienen, sind uns willkommen.«
    Wenn er nicht sprach, und Roane musterte ihn, dann lief ihr ein kalter Schauer den Rücken entlang. Kurz ausgedrückt – Roane mochte den Mann nicht, wenn ihn auch die Prinzessin ungemein zu schätzen schien. Dem Colonel dagegen vertraute sie.
    Ludorica wollte in den Garten gehen, doch der Lord riet ihr davon ab, da Fancher mit einem Wahrsager in der Stadt sei. Er schien nicht offen sprechen zu wollen, solange Roane in der Nähe war, aber die Prinzessin forderte ihn fast ungehalten dazu auf. Nun berichtete der Lord, dieser Wahrsager Shambry habe den baldigen Tod von König Niklas vorhergesagt, sogar die genaue Stunde. Er halte es daher für klug, wenn sich die Prinzessin nicht in der Öffentlichkeit sehen lasse, da ihre Anwesenheit ein Geheimnis bleiben solle. Deshalb habe er auch den Colonel zurückgeschickt.
    »Nun, Lord Imbert, dann brauche ich doch nur mit König Gostar zu sprechen, und alles wird so, wie wir es uns nur wünschen können!«
    »Ihr müßt Geduld haben, Hoheit! Die Königin ist nicht bei guter Gesundheit, und der König macht sich ihretwegen Sorgen. Er ist sowieso ein schwieriger Mann, und niemand kann vorhersagen, was er tun wird. Seit drei Monaten weiß er, daß die Königin ein Kind erwartet, und seither hat er keine Audienzen mehr erteilt. Wir müssen also vorsichtig sein. Und dann noch etwas, Hoheit. Ihr werdet bemerkt haben, daß nur wenige Diener in diesem Flügel sind. Das geschah in voller Absicht. Je weniger Leute wissen, daß Ihr hier seid, desto besser ist es. Wer weiß, was Fancher und Shambry vorhaben? Shambry hat großen Einfluß bei der Königin.«
    »Was kann ich dann tun? Nur warten?«
    »Ich fürchte es, Hoheit, wenn es auch hart sein wird. Denkt daran, niemand soll Euch sehen. Ihr glaubtet Euch sicher in Hitherhow, und was geschah? Natürlich habe ich gute Wächter hier, aber wer kann sich für andere Menschen verbürgen? Niemand kann beschwören, daß keiner von ihnen insgeheim Reddick anhängt.«
    »Ich kann es kaum glauben«, antwortete Ludorica. »Aber nun … Wie lange, sagt dieser glattzüngige Wahrsager, daß der König noch leben wird?«
    »Vier Tage noch – bis zum Mittag.«
    »Vier Tage! Eine solche Prophezeiung würde er nicht wagen, glaubte er selbst nicht daran. Wenn ich bis dahin nicht mit der Krone in Uckermark bin … Lord Imbert, das will genau bedacht sein.«
    »Tut das, Hoheit. Ich werde inzwischen versuchen, König Gostar zu erreichen.« Mit einer Verbeugung zog er sich zurück.
    Sie kehrten in einen der oberen Räume zurück und sahen zu den breiten Erkerfenstern hinaus. Unten lag ein Hof, in dem es einige Blumenbeete gab; die Bäume und Büsche waren zu Figuren zugeschnitten und kunstvoll gestutzt. Alles war sehr sauber und ordentlich. Ludorica erzählte, daß Lady Ansla Blumen und Vögel sehr geliebt habe, aber vor einiger Zeit an einem Frostfieber gestorben sei. »Sie war die einzige, die mich meinetwegen geliebt hat, nicht weil ich Prinzessin bin«, erklärte sie fast traurig. »Sie war von unendlicher Liebe und Güte.«
    Damit die Zeit schneller verging, erzählte Ludorica viel von der Geschichte der großen Familien, den Zusammenhängen zwischen ihnen, den Sitten und Gebräuchen – und den Intrigen. Roane hatte allmählich das Gefühl, zu diesem Volk zu gehören. Was sie hier an Schönem und Kostbarem sah, war zauberhaft und anheimelnd. In einem Anflug trockenen Humors überlegte sie, daß sie, kehrte sie jemals zu ihrem Volk zurück, genug zu erzählen haben würde von dem Experiment der Psychokraten.
    In der zweiten Nacht in Gastonhow schlüpfte Ludorica in Roanes Zimmer und hatte einen pelzbesetzten Mantel über dem Arm. »Er hat es getan, Roane!« rief sie erfreut. »Ich werde ganz heimlich zu König Gostar gehen, und du sollst mitkommen. Beeile dich, denn die Kutsche wartet schon. Wo ist nur ein Mantel zu finden?«
    Sie öffnete den Schrank und suchte nach einem geeigneten Mantel. Roane huschte zum Bett und holte unter dem Kissen ihren Gürtel heraus.

 
9
     
    Die im Hof wartende Kutsche glich jener, mit der sie nach Gastonhow gekommen waren. Eine kleine Laterne innen gab nur wenig Licht, und schwere Vorhänge verhüllten die Fenster. Lord Imbert half den Damen einsteigen. Der Prinzessin flüsterte er etwas zu, was Roane nicht verstand.
    Diesmal hatten sie keinen Colonel als Begleitung bei sich. Die Laterne wurde weggenommen, die Tür zugeschlagen. »Kein Licht?« wunderte sich die Prinzessin.

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