Die Eiskrone
grüne, ineinander verschlungene Linien auf. Eine Platte aus Gold stand darauf; daneben lag ein Messer, eine zweizinkige Gabel und ein Löffel. Das Besteck war aus Kristall und mit goldenen Streifen verziert, in denen grüne Edelsteine saßen.
In einiger Entfernung davon war ein zweites Gedeck, aber die Platte war aus Silber, und das Silberbesteck hatte rote Griffe. Alle Farben waren warm und freundlich, wenn auch ganz verschieden von denen ihrer eigenen Zivilisation.
Menschen sah sie nicht im Raum, doch sie schienen erwartet zu werden. Auch sie selbst wartete auf ein sehr wichtiges Ereignis.
Ein Mann in reichgesticktem Heroldsrock trat rückwärts ein und verbeugte sich bei jedem Schritt vor einer Person, die er durch das Portal geleitete. In einer Hand trug er einen Stab, den er immer wieder auf den Boden stieß.
Die Dame, die der Herold geleitete, trat ein. Ihre weiten Röcke fielen in wundervollen Falten auf ihre Füße. In einer Hand hatte sie einen flachen Fächer aus Purpurfedern, dessen Handgriff reich mit Edelsteinen besetzt war.
Das Kleid mit dem weit ausgeschnittenen Oberteil ließ die Schultern frei und war von dunkler Purpurfarbe. Die köstlichen Spitzen waren mit Silberfäden durchwoben. Ein Kollier aus tropfenförmigen schwarzen Steinen lag um ihren Hals; die gleichen Steine funkelten an den Ohrläppchen und in ihrem Haar.
Die Dame war die Königin Ludorica.
Zwei Damen folgten ihr. Deren Kleider waren von ähnlichem Schnitt, nur nicht so kostbar und vor allem grau. Um den Hals trugen sie breite schwarze Bänder, und auf den Haaren lagen hauchdünne schwarze Spitzenschals.
Und dann trat Herzog Reddick ein. Auch er trug Purpurgewänder. Er ging um den Tisch herum, zog für die Königin einen Stuhl heraus und half ihr, sich zu setzen. Dann erst nahm er in einiger Entfernung von ihr Platz.
Eine der Begleitdamen nahm an der Tür ein Tablett in Empfang und brachte es zum Tisch. Darauf standen zwei phantastisch gearbeitete Becher in der Form jener Tiere, die sie als Figuren in Hitherhow gesehen hatte. Die Dame füllte die beiden Becher aus einem Krug, setzte sie vorsichtig auf den Tisch und stieß sie leicht zusammen. Die beiden Becher begannen sich zu bewegen, der eine zu Ludorica, der andere zum Herzog.
Ein zweites Tablett mit Essen kam. Erst bekam Ludorica vorgelegt, dann der Herzog. Sie aßen und tranken. Roane sah, wie sie sprachen, doch sie hörte keinen Laut. Zweimal wurden die Becher nachgefüllt.
Als sie gegessen hatten, wurde das Geschirr abgeräumt, und der Herzog entnahm seiner Tunika eine Schriftrolle, die er vor sich auf dem Tisch ausbreitete. Roane konnte die Worte zwar nicht lesen, sah aber die schwarzen Buchstaben und scharlachrote und schwarze Bänder, die unten an der Rolle mit einem Purpurklümpchen festgemacht waren.
Die Königin lehnte sich zurück. Alle Lebhaftigkeit, die Roane früher so entzückt hatte, war aus ihrem Gesicht verschwunden. Unter dem üppig aufgetürmten Haar war es nur noch eine Maske. Die Augen waren halb geschlossen, als sollten die Lider verbergen, was sich darin ausdrücken konnte.
Reddick schien etwas vorzulesen, das in der Rolle stand. Dann sah er Ludorica an, als erwarte er einen Protest oder sonst eine Bemerkung. Er war enttäuscht, als die Prinzessin nur den Fächer bewegte. Der Herold trat aus dem Schatten, nahm die Rolle vom Platz des Herzogs und legte sie vor Ludorica.
Sie schien nicht an dem interessiert zu sein, was sie enthielt, noch weniger an dem, was Reddick sagte. Darüber schien er ungeduldig zu werden.
Nun antwortete ihm Ludorica mit völlig unbewegtem Gesicht. Leichte Röte stieg dem Herzog in die Wangen. Vielleicht war es Zorn.
Nun breitete die Königin die Rolle mit beiden Händen vor sich aus. Sie schien den Text zu lesen. Dann sprach sie wieder.
Eine der Damen brachte ein kleines Tablett mit einem Kästchen, das sie öffnete. Ludorica drückte ihren Daumen auf etwas, das wie ein schwarzer Block aussah, dann auf die Rolle. Die andere Dame reichte ihr eine kleine Schüssel, damit sie den Daumen abwaschen konnte. In der linken Hand hielt sie die Rolle. Reddick stand auf und zog ihren Stuhl zurück, als Ludorica aufstand. Die Rolle ließ sie auf dem Tisch liegen.
Sie ging am Herzog vorbei, als sehe sie ihn nicht, und verließ den Raum. Der Herzog nahm die Rolle, steckte sie in seine Tunika und folgte ihr.
Und dann war der Raum plötzlich verschwunden, und Roane sah nur noch ein einziges Gesicht, das sie noch eine Weile verfolgen
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