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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Experiment zuviel Energie, aber sie wußte, was sie wollte. Vom Abweiser geschützt, schnitt sie Brocken nach Brocken aus dem Fels – bis der Abwehrschild durchbrochen war. Aber sie hatte ja Ersatz und wechselte die Packung aus. Jetzt wußte sie, was sie damit anfangen konnte.
    Lebensmittel, Sanitätskasten, Ersatz für das Werkzeug, Lampe, Nachtbrille. Sie schob alles in einen Plastiksack und schnürte ihn zusammen. Dann dachte sie nach.
    Lauschend stand sie da. Die Geräusche aus dem Säulenraum blieben gleichmäßig. Es war nicht anzunehmen, daß einer der beiden Männer zurückkam. Aber wenn sie jetzt hier verschwand, dann war es endgültig. Und das nur eines Traumes wegen? Nein! Vielleicht war es der Einfluß, der das Leben auf Clio bestimmte und nun auch ihr Denkvermögen umgestaltete? Sie wußte ganz genau, wie das Leben für einen Außenweltler auszusehen hatte – aber dazu schüttelte sie nur den Kopf. Die Gefühle, die sie aus ihrem bisherigen Leben herausgeholt hatten, konnte sie nicht mit Namen nennen. Sie konnte sich aber auch nicht gegen sie stemmen.
    Sie setzte die Nachtbrille auf und nahm den Sack in die Hand, stieg über den Abweiser und verließ die Höhle, um ein neues Leben zu beginnen.
    Sie war frei. Wohin sollte sie gehen? Nach Hitherhow? Da sie die Kleidung der Einheimischen trug, konnte sie in das Dorf gehen und etwas erfahren. Vielleicht schickte Reddick seine Gefangenen dorthin. Ob sie noch dort im Gefängnis waren?
    Eine halbe Nacht später kroch Roane zum Kamm des Hügels hinauf und beobachtete Dorf und Türme. Auf dem Sträßchen, das vom Tor zur großen Straße führte, brannten zwei Laternen, aber die Häuser waren dunkel. Sie zögerte und überlegte, was sie tun konnte.
    Da hörte sie ein Geräusch, ein dumpfes Klopfen. Wenig später kamen vom Westen her zwei Duocorns, die vor dem Tor der Burg anhielten.
    Einer der Reiter blies eine Hornmelodie, die sicher viele Dorfbewohner aufweckte. Männer rannten in den Hof, und zwei von ihnen schoben die Torbalken zurück. Einer der Reiter stieg ab und lief auf den nächsten Turm zu, der andere blieb im Hof stehen.
    Die Männer führten die schnaubenden Duocorns weg. Roane rollte sich auf den Rücken und nahm die Nachtbrille ab. Der Himmel wurde ein wenig heller. Der Morgen war nicht mehr fern, und sie hatte noch nichts erreicht. Vielleicht wäre es klüger, zum Dorf hinunterzugehen. Dort waren jetzt einige Fenster hell geworden.
    Auch hinter einigen Fenstern in der Burg brannte Licht. Vom Hauptturm blies ein Horn, und die Töne kamen als vielfaches Echo von den Hügeln um Hitherhow zurück. Im Hof stellten sich Männer auf.
    Roane zog die Kapuze über den Kopf, um ihr Gesicht so gut wie möglich zu verbergen. Als sie die kurze Straße erreichte, kamen die Leute schon aus den Häusern. Viele trugen Laternen; alle gingen der Burg entgegen, deren Tore weit geöffnet waren. Links und rechts standen ganze Reihen von Uniformierten.
    »Krieg!« hörte sie einen Mann sagen. »Diese Vordainier haben schon immer gierig in unsere Richtung geschaut.«
    »Nein, vom Westen her, von Leichstan, droht unserem Land größere Gefahr, seit ihr König wieder geheiratet hat«, widersprach ein anderer.
    »Vielleicht ist es nur eine Proklamation der Königin …«
    »Für Proklamationen wird eine vernünftige Tagesstunde gewählt. Es muß schon sehr wichtig sein, wenn man nachts aus dem Bett gerissen wird.«
    Roane schob ihre Nachtbrille in eine Innentasche ihrer Tunika und hängte ihre Plastiktasche an den Gürtel. Wenn sie jetzt ihre einzige Waffe, dieses Werkzeug, benützen mußte, dann brauchte sie ruhige und freie Hände.
    Die Menge drängte durch das Tor. Als das Horn zum drittenmal blies, schwiegen alle. Plötzlich standen drei Männer da; sie trugen die Uniformen von Reddicks Männern. Zwei mußten Colonels sein, der dritte war von noch höherem Rang.
    Er warf seinen Reitmantel über die Schulter und rollte ein Pergament auf. Sie wußte, was es war, denn sie hatte es im Traum gesehen.
    Mit weittragender, hallender Stimme las der Offizier ein Dekret vor, das besagte, Königin Ludorica von Reveny aus dem Haus Setcher habe Nelis Imfry aus dem Haus Imfry-Manholm seines Ranges als Colonel der Armee von Reveny entkleidet und ihm alle Privilegien abgesprochen, die ihm König Niklas, der in den Frieden der Hüter eingegangen sei, gewährt habe.
    Er werde darüber hinaus als Verräter an der Krone und an seinem Volk zum ehrlosen Tod verurteilt. Das Urteil solle in

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