Die Eismumie
zu dem die Tatortspezialisten vom CSI aus Olympia endlich eintrafen.
Den Akten zufolge traf der Deputy um zehn Minuten nach sieben morgens im Motel ein. Die Putzfrau fand er zusammengekauert in ihrem Wagen vor dem Büro, beinahe katatonisch vor Entsetzen und außerstande, auch nur die einfachste Antwort auf seine Fragen zu geben. Um zwölf Minuten nach sieben zog der Deputy seine Waffe und betrat die Motelräume, wo er die Leichen des Motelbesitzers Peter Bowden (53) und seiner Frau Evelyn Bowden (49) auf dem Fußboden hinter der Rezeption fand. Die Personen schienen – zumindest seinem Eindruck nach – schon mehrere Stunden tot zu sein.
Der Deputy teilte der Funkzentrale umgehend den ganz offensichtlichen Fall «187» mit, und die Mordkommission in Vancouver wurde benachrichtigt. Die nächsten dreißig Minuten sollten nachträglich zu einem besonderen Problem sowohl für die Polizeitruppe des Sheriffs als auch für die Kriminalpolizei von Vancouver werden. Aus Gründen, die nur der Deputy und die Detectives kannten, die als Erste am Tatort erschienen, dachte vor sieben Uhr vierzig niemand daran, die Gäste des Motels zu überprüfen. Vielleicht lag es daran, dass es nirgendwo im Haus oder auf dem Gelände irgendeine Bewegung gab. Weder während der beiden Minuten, in denen der Deputy mit Olivia Mendoza sprach, noch während der ungefähr fünf Minuten, in denen er die blutbespritzte Lobby untersuchte – auch noch nicht, nachdem das erste Zivilfahrzeug aus Vancouver eingetroffen war – regte sich etwas in den Motelzimmern. Keine Gesichter an den Fenstern, niemand, der eine Tür öffnete, um einen Blick hinauszuwerfen. Möglicherweise nahmen die Ermittler einfach an, dass keine Gäste im Motel wohnten. Was auch immer ihre Gründe gewesen sein mochten – zum ersten Mal wurde an jenem Morgen um genau sieben Uhr zweiundvierzig an die Tür eines Motelzimmers geklopft.
Natürlich antwortete niemand, obwohl doch elf der insgesamt vierundzwanzig Zimmer laut dem blutbesudelten Gästeregister im Büro des Regal Motel vermietet waren. Schließlich schaute einer der Detectives durch einen Vorhangspalt und sah Blut. Türen wurden aufgebrochen, und einige Polizisten wichen unter Würgen entsetzt zurück. Die Telefone standen nicht mehr still. Außer dem Kriminallabor in Olympia wurden die örtlichen FBI-Außenstellen in Seattle wie in Portland alarmiert.
Um acht Uhr dreißig an jenem Morgen, als die Dunstschleier von der Pazifikküste hereinwaberten, herrschte im Regal Motel bedrückte Geschäftigkeit. Im Kaleidoskop aus Streifenwagenlichtern und Warnfackeln schimmerten die Regenwände wie blutig rote Aquarelle und zogen die Schaulustigen an wie das Licht die Motten. Wanderer, Entenjäger, Nachtschichtarbeiter auf dem Weg nach Hause und Automechaniker aus einer nahe gelegenen Karosseriewerkstatt – sie alle drängten sich in morbider Faszination unter einem Dach aus Regenschirmen am Rand der polizeilichen Absperrung. Einige saßen auf selbst gebastelten Stühlen, auf Kühlboxen und Holzkisten, andere schwatzten laut und nervös.
Sie wollten etwas von dem Massaker mitbekommen, vielleicht sogar einen Blick auf die Opfer werfen, wenn sie unter blutgetränkten Laken aus dem Motel gebracht würden. Aber während der nächsten anderthalb Stunden gingen nur Kriminaltechniker aus und ein: stoische Pathologen in weißen Schutzanzügen, Detectives mit mürrischen Gesichtern und Klemmbrettern in der Hand. Geflüsterte Gerüchte über Abscheulichkeiten, die bisher keiner gesehen hatte, machten die Runde in der Menge, aber niemand außerhalb der Absperrung wusste wirklich, was dort drinnen geschehen war. Niemand bis auf den hochgewachsenen Mann mittleren Alters, der mit leicht eingezogenen Schultern hinter der Gruppe von Automechanikern stand.
Dieser unbekannte Mann, dessen langes und hageres Gesicht von der Kapuze eines gestohlenen Parkas teilweise verborgen war, stand im Regen, als machte es ihm nicht das Geringste aus, bis auf die Knochen durchnässt zu werden. Niemand schenkte ihm sonderlich Beachtung, als er dort auf Beobachtungsposten stand und den Hals reckte, um über die Regenschirme hinwegzuspähen.
Er besaß die Geduld einer Sphinx, während er beobachtete und wartete. Jeden neuen Ermittler, der am Tatort eintraf, betrachtete er aufmerksam.
Kapitel 13
Mordbube
New Orleans (AP) – «Old Sparky», wie die Häftlinge in Angolas Todestrakt den elektrischen Stuhl nennen, wurde am Sonntag ein letztes Mal unter
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