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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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aufzubringen.
    Zusammengekauert in dem ekligen, nach Blut riechenden Matsch, zunehmend durchnässt vom strömenden Regen und umtost von einem Orgelbrausen an Lärm, biss er die Zähne so fest zusammen, dass er sie beinahe abgebrochen hätte. Er spürte den unerschütterlichen Reptilienblick des Kapuzenmannes seitlich am Gesicht wie die Hitze einer Wärmelampe. Und er spürte, wie sich seine Muskeln in Panik verkrampften: fliehen oder kämpfen. Der Mistkerl hat noch nicht bemerkt, was hier läuft, monologisierte Groves innere Stimme, er weiß nicht, dass du ihn identifiziert hast, er hat noch nicht verstanden, dass er entlarvt wurde!
    Wieder explodierte eine Reihe von Blitzen und verwandelte den Schauplatz in ein silbriges Fotonegativ.
    Grove erkannte augenblicklich, dass sich ihm jetzt die Gelegenheit bot. Wenn es ihm gelänge, seine List durchzuhalten – mit der Oscar-reifen Darstellung eines Ermittlers, der den Boden zu seinen Füßen untersucht –, könnte er die Hand in seinen Mantel schieben und den Griff der .357er Tracker zu fassen bekommen, ohne sich zu verraten. Wenn er sich des Überraschungsmoments bediente, hätte er vielleicht die Chance, Ackerman schnell und wirksam auszuschalten, ohne dass es zu weiteren Gewalttätigkeiten oder Pannen kam. Natürlich gründete diese Theorie auf der Annahme, dass in Ackermans gestörtem Hirn noch einige gesunde Zellen lebten. Unglücklicherweise hatte Grove keine Möglichkeit, den Grad von Ackermans Krankheit einzuschätzen. Im Moment hatte er nicht mehr als einen hochgewachsenen, schlaksigen Täter mit einem leichten Anflug von Katatonie vor sich, dessen Gesicht von einer übergroßen Kapuze beschattet wurde und der wie versteinert am äußersten Rand von Groves Gesichtsfeld stand.
    Grove kam eine Idee, ein Einfall, wie er seine Waffe erreichen konnte, ohne den Killer zu alarmieren. Er brauchte ein, zwei Sekunden, um sein Vorgehen zu planen. Er würde es in drei Schritten tun: A) Mit der freien Hand nach unten in seine Außentasche greifen und sein kleines Notizbuch mit Spiralbindung hervorkramen. Nichts Außergewöhnliches; nichts, was nicht jeder Ermittler tagtäglich eine Million Mal täte. Dann… B) würde er so tun, als suche er nach einem Schreiber, den er nicht zur Hand hatte, würde sämtliche Taschen abklopfen, die Stirn runzeln und überhaupt eine schauspielerische Glanzleistung hinlegen. Und schließlich… C) in seinen Mantel greifen, den Riemen am Halfter der Tracker lösen und die Waffe ziehen, während er sich aufrichtete und den Regenschirm fallen ließ, und auf Ackerman anlegen… all das in einer einzigen flüssigen Bewegung.
    Sein Ziel war es, Ackerman nicht die geringste Chance zu irgendeiner Reaktion zu geben. Schlüssel zum Erfolg waren Geschwindigkeit und unbeirrbare Entschlossenheit. Grove begann, tief und gleichmäßig zu atmen. Wie beim Golf kommt es auch beim Schießen auf Entspannung und Atmung an.
    Ackerman hatte sich noch nicht bewegt.
    Grove begann mit den drei Schritten, die ihn zu seiner Waffe bringen sollten. Er nahm jetzt mit überwacher Intensität die Menge um sich herum wahr. Nur wenige der Schaulustigen unterhielten sich, und wenn, war es unmöglich, beim Prasseln des Regens ihre Gespräche zu verstehen. Irgendwo auf der anderen Seite des Parkplatzes rief ein Detective nach Unterstützung, und zwei Helfer rannten mit einer zusammenklappbaren Bahre unterm Arm über den Platz.
    Ackerman starrte Grove immer noch an.
    Grove zog das kleine beige Notizbuch mit der Spiralbindung aus seiner Tasche.
    So weit, so gut. Ackerman hatte sich nicht bewegt. Grove legte das Notizbuch auf den Boden und gab dann vor, nach seinem Kugelschreiber zu suchen. Er machte eine große Sache daraus – wie ein Bühnenschauspieler, der noch in der letzten Reihe genau gesehen werden möchte. Er klopfte seine rechte Brusttasche ab, dann die linke, machte ein ratloses Gesicht, tastete seine Hosentaschen ab, bis er schließlich nach innen in seinen Mantel griff. Sein Herz raste so schnell, dass er den Puls an der Innenseite seines Arms fühlen konnte, als er hektisch am Pistolenhalfter zerrte. Sein Mund war trocken. Der Überschuss an Adrenalin ließ seine Halsschlagader beben. Er hörte das gedämpfte Schnappen des Sicherheitsriemens.
    Er hatte seine Hand – feucht und prickelnd vor Nervosität – am Griff der Waffe, als er ein Geschrei hörte, das ganz überraschend auf der anderen Straßenseite ertönte.
    Und in dem Moment brach die Hölle

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