Die Eisprinzessin schläft
werde Jan rufen, einen Moment.«
Langsam, aber elegant ging Nelly auf eine Tür zu, die, wie sich zeigte, zu einer Treppe in die untere Etage führte. Patrik hatte gehört, daß Jan in dem luxuriösen Haus über das Kellergeschoß verfügte, und schloß daraus, daß die Treppe zu ihm hinunterging.
»Jan, du hast Besuch. Die Polizei.«
Patrik überlegte, ob Nellys alte, brüchige Stimme wirklich so weit zu hören war, aber Schritte auf der Treppe beseitigten allen Zweifel. Als Jan in die Diele heraufkam, wurde zwischen Mutter und Sohn ein Blick voll verborgener Bedeutung gewechselt, aber dann ging Nelly, indem sie Patrik kurz zunickte, in ihre Zimmer, und Jan kam mit ausgestreckter Hand und einem Lächeln auf ihn zu, das eine Menge Zähne zeigte. Patrik sah das Bild eines Alligators vor sich. Eines lächelnden Alligators.
»Guten Tag, Patrik Hedström vom Polizeirevier Tanumshede.«
»Jan Lorentz. Freut mich.«
»Ich arbeite an der Aufklärung des Mordes an Alex Wijkner und habe ein paar Fragen, die ich Ihnen, wenn Sie nichts dagegen haben, stellen möchte.«
»Natürlich. Ich weiß nicht, was ich zu der Sache beitragen könnte, aber das zu entscheiden ist ja Ihr Job, nicht meiner, nicht wahr?«
Erneut das Alligatorlächeln. Patrik spürte, wie es ihm in den Fingern juckte. Am liebsten würde er dieses Lächeln ausradieren. Irgend etwas daran brachte ihn in Rage.
»Wir können ja wohl in meine Wohnung hinuntergehen, dann hat Mutter hier oben ihre Ruhe.«
»Ja, sicher, das geht in Ordnung.«
Es ließ sich nicht leugnen, daß Patrik das Wohnarrangement ein wenig merkwürdig fand. Erstens tat er sich schwer mit erwachsenen Männern, die immer noch zu Hause bei ihrer Mutter wohnten, und zweitens konnte er nicht verstehen, daß Jan es akzeptierte, in einen dunklen Keller verbannt zu sein, während die Alte hier oben in mindestens zweihundert Quadratmetern residierte. Jan wäre kein Mensch, wenn ihm nicht der Gedanke gekommen wäre, daß man Nils, wenn er heute hier lebte, wohl kaum in den Keller verwiesen hätte.
Patrik folgte Jan die Treppe hinunter. Er mußte zugeben, daß diese Behausung für eine Kellerwohnung nicht eben übel war. Man hatte keine Kosten gespart, und die Räume waren von jemandem eingerichtet, der es für wichtig hielt, seinen Wohlstand zu demonstrieren. Es gab jede Menge Goldfransen, Samt und Brokat der teuersten Marken, aber leider kam die Einrichtung ohne Tageslicht nicht zu ihrem Recht. Die Wirkung war daher leicht bordellartig. Patrik wußte, daß Jan eine Frau hatte, und fragte sich, wer von den beiden auf alldem hier bestanden hatte. Seiner eigenen Erfahrung nach tippte er auf die Frau.
Jan wies ihn in ein kleines Arbeitszimmer, wo außer Schreibtisch und Computer auch ein Sofa stand. Sie setzten sich jeder in eine Ecke des Sofas, und Patrik holte einen Notizblock aus der Tasche, die er bei sich trug. Er hatte beschlossen, Jan erst von Anders Nilssons Tod zu berichten, wenn es sich nicht mehr umgehen ließ. Strategie und Timing waren wichtig, wenn er die Hoffnung haben wollte, etwas Nützliches aus Jan Lorentz herauszubekommen.
Er betrachtete den Mann vor sich genau. Er sah ganz einfach zu perfekt aus. Das Hemd und der Anzug hatten nicht eine Falte. Der Schlips war untadelig geknotet, und das Gesicht war absolut frisch rasiert. Kein Haar war in Unordnung, und seine ganze Person strahlte Ruhe und Zuversicht aus. Zuviel Ruhe und Zuversicht. Patriks Erfahrung sagte ihm, daß alle Leute, die von der Polizei befragt wurden, mehr oder weniger nervös waren, auch wenn sie nichts zu verbergen hatten. Ein völlig ruhiges Äußeres deutete darauf hin, daß die entsprechende Person etwas zu verbergen hatte, das war Patriks eigene, ganz und gar selbstgezimmerte Theorie. Sie hatte sich auffällig oft als richtig erwiesen.
»Schön haben Sie es hier.« Es schadete nichts, ein bißchen höflich zu sein.
»Ja, es war Lisa, meine Frau, die sich um die Einrichtung gekümmert hat. Ich finde selber, daß es ihr ziemlich gut gelungen ist.«
Patrik ließ den Blick durch das kleine dunkle Arbeitszimmer schweifen, das verschwenderisch mit Kissen, an denen Goldtroddeln hingen, und spiegelblankem Marmor dekoriert war. Ein glänzendes Beispiel dafür, was zuwenig Geschmack in Kombination mit zuviel Geld zustande bringen konnte.
»Sind Sie der Lösung etwas näher gekommen?«
»Wir habe eine Reihe Informationen erhalten und fangen wohl an, uns ein Bild von dem zu machen, was passiert sein kann.«
Nicht
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