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Die Eisprinzessin schläft

Die Eisprinzessin schläft

Titel: Die Eisprinzessin schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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ihr eine gewisse Genugtuung bereitet hatte, den Unterschied zwischen sich und Pernilla zu demonstrieren. Zwischen ihrem FünfhundertKronen-Schnitt aus einem Salon am Stureplan und Pernillas selbstgemachter Dauerwelle. Zwischen ihrer Markenkleidung, erworben in der glamourösen Stockholmer Biblioteksgatan, und Pernillas billigen Blusen und langen Röcken. Was spielte das für eine Rolle? Warum hatte sie sich in schwächeren Stunden über diesen Unterschied gefreut? Schließlich war doch sie es gewesen, die Dan verlassen hatte. Wollte sie nur ihr eigenes Ego befriedigen, oder war sie eigentlich neidisch, weil Dan und Pernilla soviel mehr besaßen als sie selbst? Hatte sie tief im Inneren die beiden um ihre Familie beneidet und vielleicht sogar bereut, daß sie nicht hier geblieben war? Daß nicht sie diese Familie besaß? Hatte sie bewußt versucht, Pernilla zu erniedrigen, weil sie eigentlich neidisch auf sie war? Der Gedanke war scheußlich, aber sie konnte ihn nicht vertreiben. Er führte dazu, daß sie sich aus tiefster Seele schämte. Zugleich fragte sie sich, wie weit sie wohl selbst gegangen wäre, um das zu verteidigen, was Pernilla besaß. Und Pernilla, wie weit war sie bereit zu gehen? Erica sah sie nachdenklich an.
    »Was werden die Kinder sagen?«
    Es schien, als würde es Pernilla erst jetzt einfallen, daß noch andere außer ihr und Dan betroffen waren.
    »Das wird doch herauskommen, oder nicht? Das mit dem Kind, meine ich. Was werden die Mädels sagen?«
    Der Gedanke schien Pernilla in Panik zu versetzen, und Erica tat ihr Bestes, um sie zu beruhigen.
    »Die Polizei muß erfahren, daß es Dan war, der sich mit Alex getroffen hat, aber das bedeutet nicht, daß es alle erfahren müssen. Ihr könnt selbst bestimmen, was ihr den Kindern erzählt. Du hast das noch immer unter Kontrolle, Pernilla.«
    Das schien sie zu beruhigen, und sie nahm ein paar große Schlucke vom Kaffee. Der mußte längst kalt sein, aber das schien ihr nichts auszumachen. Zum erstenmal empfand Erica einen heftigen Zorn auf Dan. Es wunderte sie, daß sie den nicht schon eher verspürt hatte, jetzt aber merkte sie, daß er immer mehr zunahm. Wie bekloppt war dieser Mann eigentlich? Wie konnte er alles, was er besaß, einfach wegwerfen, egal, wie sehr die andere ihn anzog? Begriff er nicht, wie gut er es hatte? Sie ballte die Hände im Schoß und versuchte Pernilla ihre Sympathie über den Tisch hinweg zu vermitteln. Ob sie bei ihr ankam oder nicht, wußte sie nicht.
    »Danke, daß du zugehört hast. Es war mir wirklich wichtig.«
    Ihre Blicke begegneten sich. Nicht mal eine Stunde war vergangen, seit Pernilla an der Tür geklingelt hatte, aber Erica fühlte, daß sie in dieser Zeit eine Menge gelernt hatte, nicht zuletzt über sich selbst.
    »Kommst du klar? Gibt es irgendeinen Ort, wohin du gehen kannst?«
    »Ich werde nach Hause gehen.« Pernillas Stimme klang klar und entschieden. »Sie soll mich nicht aus meinem Zuhause und von meiner Familie vertreiben. Diese Genugtuung werde ich ihr nicht geben. Ich werde heimgehen zu meinem Mann, und wir werden die Sache hier klären. Aber nicht ohne Forderungen. Von jetzt an werden die Dinge anders laufen.«
    Erica konnte nicht umhin, mitten in dem ganzen Elend zu lächeln. Dan würde einiges durchzustehen haben, das war klar. Aber das hatte er schließlich verdient.
    An der Tür umarmten sie sich unbeholfen. Als Erica sah, daß sich Pernilla ins Auto setzte und losfuhr, wünschte sie den beiden von ganzem Herzen Glück. Zugleich plagte sie jedoch ein Gefühl der Unruhe. Sie konnte Pernillas haßerfüllten Blick nicht vergessen. Darin hatte es keine Nachsicht gegeben.
     
    Alle Fotos lagen vor ihr auf dem Küchentisch ausgebreitet. Das einzige, was ihr nun von Anders geblieben war, waren diese Bilder. Die meisten waren alt und vergilbt. Seit vielen Jahren hatte es keinen Grund gegeben, ihn zu fotografieren. Die Bilder, auf denen er ein Baby war, waren schwarzweiß. Dann, als er immer älter wurde, lösten verblichene Farbfotos sie ab. Anders war ein fröhliches Kind gewesen. Ein bißchen wild, aber immer fröhlich. Rücksichtsvoll und lieb. Er hatte sich um sie gekümmert, hatte die Rolle des Mannes im Hause ernsthaft übernommen. Manchmal vielleicht ein bißchen zu ernsthaft, aber sie hatte ihn gewähren lassen. Richtig oder falsch? Das war so schwer zu entscheiden. Vielleicht gab es eine Menge, was sie hätte anders machen müssen, vielleicht hätte es aber auch keine Rolle gespielt. Wer wußte

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