Die Eisprinzessin schläft
dem Brand gelesen, der deine Eltern getötet hat. Das muß sehr schwer gewesen sein.
Wie alt bist du damals gewesen? Neun oder zehn?«
»Ich war zehn Jahre alt. Und du hast recht. Es war schwer. Aber ich hatte Glück. Die meisten Waisen werden nicht von einer Familie wie den Lorentzens aufgenommen.«
Patrik fand es ein wenig geschmacklos, in diesem Zusammenhang von Glück zu reden. »Soviel ich begriffen habe, sprach man von Brandstiftung. Hat man jemals mehr erfahren?«
»Nein, du hast ja die Berichte gelesen. Die Polizei ist nie weitergekommen. Persönlich glaube ich, daß Vater wie immer im Bett geraucht hat und eingeschlafen ist.«
Zum erstenmal während des Gespräches zeigte er Ungeduld.
»Darf ich fragen, was das hier mit den Mordfällen zu tun hat? Ich habe bereits gesagt, daß ich keinen der beiden kannte, und ich kann nicht ganz begreifen, welchen Zusammenhang das mit meiner schweren Kindheit hat.«
»Wir gehen im Moment auch den kleinsten Spuren nach. Die Anrufe von Anders hier im Haus waren der Grund, weshalb ich der Sache nachgehen wollte. Aber das scheint ja nicht weiterzuführen. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich deine Zeit unnötigerweise in Anspruch genommen habe.«
Patrik stand auf und streckte ihm die Hand hin. Jan erhob sich ebenfalls, legte die Zigarre in den Aschenbecher, bevor er Patriks ausgestreckte Hand ergriff.
»Kein Problem, wirklich nicht. Es war nett, dich kennenzulernen.«
Wie schmeichelhaft, dachte Patrik. Er folgte Jan dicht auf den Fersen die Treppe hoch. Die äußerst geschmackvolle Einrichtung der oberen Etage ließ ihn den Kontrast zum Souterrain besonders deutlich empfinden. Wirklich schade, daß man Jans Frau nicht die Nummer von Nellys Innenarchitekten gegeben hatte.
Er bedankte sich und verließ das Haus mit dem Gefühl, entscheidende Dinge übersehen zu haben. Einerseits war ihm, als hätte er unten bei Jan etwas bemerkt, dessen Geheimnis er hätte entschlüsseln müssen. Etwas, das in dem spendabel eingerichteten Zimmer hervorstach. Andrerseits stimmte irgend etwas an Jan Lorentz nicht. Patrik kam auf seinen ersten Gedanken zurück: Der Kerl war zu perfekt.
Es war jetzt fast sieben, und es schneite gehörig, als Patrik endlich auf ihrer Schwelle stand. Erica war verwundert, welche starken Gefühle sie bei seinem Anblick empfand und wie natürlich es ihr vorkam, ihm um den Hals zu fallen und sich an ihn zu schmiegen. Er stellte zwei Einkaufsbeutel auf den Boden des Flurs und erwiderte ihre Umarmung herzlich und lange.
»Du hast mir gefehlt.«
»Du mir auch.«
Sie küßten sich zärtlich. Einen Moment später knurrte Patriks Magen so laut, daß sie darin eine Aufforderung sahen, mit den Tüten in die Küche zu gehen. Er hatte viel zuviel Essen eingekauft, aber Erica stellte das, was nicht gebraucht wurde, in den Kühlschrank. In stiller Übereinkunft sprachen sie nicht über die Ereignisse des Tages, solange sie mit dem Essen beschäftigt waren. Erst als sie ihren Hunger gestillt hatten und sich am Tisch gesättigt gegenübersaßen, begann Patrik zu erzählen, was geschehen war.
»Anders Nilsson ist tot. Er wurde heute morgen in seiner Wohnung gefunden.«
»Hast du ihn gefunden, als du hingefahren bist?«
»Nein, aber es fehlte nicht viel.«
»Wie ist er gestorben?«
Patrik zögerte einen Moment.
»Er wurde erhängt.«
»Was, erhängt? Du willst sagen, daß er ermordet wurde.« Erica konnte ihre Aufregung nicht verbergen. »Ist es derselbe Täter wie bei Alex?«
Patrik fragte sich, wie viele Male er diese Frage wohl heute schon gehört hatte. Aber sie war zweifellos von Bedeutung. »Wir glauben es.«
»Habt ihr noch andere Anhaltspunkte? Hat jemand etwas gesehen? Habt ihr was Konkretes gefunden, das die Morde verbindet?«
»Immer mit der Ruhe, ja?« Patrik hatte abwehrend die Hände gehoben. »Ich kann nicht mehr sagen. Wir können doch wohl auch von was Netterem reden. Wie war zum Beispiel dein Tag?«
Erica lächelte schief. Wenn er wüßte, daß ihr Tag auch nicht viel angenehmer gewesen war! Aber das konnte sie ihm nicht erzählen. Sie mußte es Dan überlassen, selbst davon zu sprechen. »Ich habe ziemlich lange geschlafen, und dann habe ich den größten Teil des Tages geschrieben. Ein bedeutend weniger spannender Tag als deiner.«
Ihrer beider Hände hatten sich über dem Tisch gefunden. Die Finger verflochten sich. Man fühlte sich gut und geborgen, so zusammenzusitzen, während die kompakte Dunkelheit das Haus umschloß. Große
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