Die Eisprinzessin schläft
Gesundheit gehabt hätte. Wäre das nicht gewesen, könnte ich dort heute auch reich verheiratet sein, statt nun schon fünfzig Jahre in dieser Bruchbude zu hocken.«
Svea warf Eilert einen anklagenden Blick zu, doch der ließ den Kommentar ruhig passieren. Das war bestimmt eine Leier, die er schon oft gehört hatte.
»Es ist die Gicht, versteht er, Herr Wachtmeister? Meine Gelenke sind völlig kaputt, und ich habe von früh bis spät Schmerzen. Ein Glück, daß ich nicht so jemand bin, der ständig jammert. Bei der schrecklichen Migräne, die mich außerdem plagt, hätte ich allen Grund zu klagen, aber das liegt mir nicht, Herr Wachtmeister. Nein, seine Beschwerden hat man mit Gleichmut zu tragen. Ich weiß nicht, wie oft man schon zu mir gesagt hat: Wie stark du doch bist, Svea, läufst mit all deinen Gebrechen trotzdem tagaus, tagein herum. Aber so bin ich nun mal.«
Sie schlug verschämt die Augen nieder, während sie demonstrativ die Hände rang, die Patrik mit seinem Laienverstand für alles andere als von Gicht geplagt hielt. Was für eine Schreckschraube, dachte er. Getüncht mit einer dicken Schicht Schminke und behängt mit viel zuviel billigem Schmuck. Das einzige Positive, was er über ihr Aussehen sagen konnte, war, daß es wenigstens zur Einrichtung paßte. Wie, um Gottes willen, konnte ein so ungleiches Paar wie Eilert und Svea fünfzig Jahre lang verheiratet sein? Er vermutete, daß es einfach eine Generationsfrage war. Scheiden ließ man sich in dieser Generation nur wegen bedeutend schlimmerer Dinge, als es die Unterschiedlichkeit der Partner war. Wirklich schade. Eilert konnte in seinem Leben nicht viel Spaß gehabt haben.
Patrik räusperte sich, um Sveas Wortschwall zu unterbrechen. Sie verstummte gehorsam und heftete den Blick auf seine Lippen, um zu hören, was für spannende Neuigkeiten er wohl mitteilen würde. Bestimmt würde er in dem Fall nicht mal die Tür hinter sich schließen können, bevor der Dschungeltelegraf in Gang war.
»Ja, ich habe ein paar Fragen zu den Tagen, bevor Sie Alexandra Wijkner gefunden haben. Als Sie dort waren und nach dem Haus gesehen haben.«
Er schwieg und wartete auf Eilerts Antwort. Aber Svea kam ihrem Mann zuvor.
»Ja, was soll man dazu sagen. Daß so was hier passiert ist. Und daß ausgerechnet mein Eilert sie finden mußte. Hier ist in den letzten Wochen von nichts anderem geredet worden.«
Ihre Wangen glühten vor Erregung, und Patrik mußte sich beherrschen, um keine scharfe Erwiderung abzugeben. Statt dessen lächelte er hinterhältig und sagte: »Sie müssen entschuldigen, aber könnte ich mit Ihrem Gatten vielleicht ein Weilchen ungestört reden? Es ist Standard bei der Polizei, daß wir Zeugenaussagen ausschließlich ohne die Anwesenheit Dritter aufnehmen.«
Reine Lüge, aber er bemerkte zu seiner Zufriedenheit, daß sie, trotz ihres großen Ärgers darüber, aus dem Zentrum der Spannung verbannt zu werden, seine diesbezügliche Autorität nicht in Zweifel zog und widerwillig vom Tisch aufstand. Patrik wurde umgehend mit einem anerkennenden, amüsierten Blick von Eilert belohnt, der seine Schadenfreude darüber nicht verbergen konnte, daß Svea so schmählich in die Röhre gucken mußte. Als sie, die Füße nachziehend, in die Küche geschlurft war, fuhr Patrik fort: »Wo waren wir stehengeblieben? Ja, könnten Sie zunächst von der Woche davor berichten, als Sie nach Alexandra Wijkners Haus gesehen haben.«
»Was soll denn das für eine Bedeutung haben?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Aber es könnte wichtig sein. Also versuchen Sie bitte, sich an möglichst viele Einzelheiten zu erinnern.«
Eilert dachte ein Weilchen schweigend nach und nutzte die Zeit, um sich die Pfeife sorgfältig mit Tabak aus einer Tüte zu stopfen, auf der drei Anker zu sehen waren. Erst nachdem er die Pfeife zum Brennen gebracht und ein paar Züge gepafft hatte, ergriff er das Wort: »Wollen mal sehen. Ich habe sie am Freitag gefunden. Ich bin immer freitags hingegangen, um alles zu kontrollieren, bevor sie am Abend kam. Also war ich das letzte Mal davor am Freitag der vorhergehenden Woche dort. Ach nein, am Freitag wollten wir zum Vierzigsten unseres jüngsten Sohnes, also bin ich schon am Donnerstagabend hingegangen.«
»Und wie sah es da mit dem Haus aus? Haben Sie was Besonderes bemerkt?« Patrik fiel es schwer, seinen Eifer zu verbergen.
»Was Besonderes?« Eilert schmauchte gemächlich seine Pfeife, während er nachdachte. »Nein, alles war in Ordnung.
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