Die Eisprinzessin schläft
geschrieben werden, und der Verlag verlor allmählich die Geduld, weil er die erste Fassung noch immer nicht erhalten hatte. Nachdem sie den Text um fast zwei A4-Seiten ergänzt hatte, las sie das Geschriebene durch, klassifizierte es als Mist und löschte die Arbeit mehrerer Stunden sofort wieder. Wenn sie an die Biographie dachte, empfand sie großen Überdruß, die Lust an der Arbeit war ihr schon seit langem vergangen. So schrieb sie lieber den Nachruf auf Alexandra zu Ende und legte ihn in ein Kuvert, das an die »Bohuslän Tidning« adressiert war. Und jetzt sollte sie wohl Dan anrufen und ein bißchen in der geradezu tödlichen Wunde herumstochern, die seiner Seele gestern abend durch die spektakuläre Niederlage Schwedens zugefügt worden war.
Kommissar Mellberg strich sich zufrieden den mächtigen Bauch und überlegte, ob er sich ein Schläfchen gönnen sollte. Sie hatten hier ja doch so gut wie nichts zu tun, und dem bißchen, was es gab, maß er keine größere Bedeutung zu.
Er entschied, daß ein kurzes Nickerchen jetzt gerade richtig käme, um das reichliche Mittagessen in aller Ruhe verdauen zu können. Kaum aber hatte er die Augen zugemacht, als ein energisches Klopfen ankündigte, daß Annika Jansson, die Sekretärin des Polizeireviers, ein Anliegen hatte.
»Was, zum Teufel, ist los? Siehst du nicht, daß ich zu tun habe?« Bei dem Versuch, beschäftigt auszusehen, wühlte er planlos in den Papieren, die in Stapeln auf seinem Schreibtisch lagen, kippte dabei aber nur die Tasse mit dem Kaffee um. Das Getränk breitete sich über die Papiere aus, und um die Lache wegzuwischen, griff Mellberg nach dem, was er zuerst erwischen konnte, es war sein Hemd, das selten die Innenseite des Hosenbunds sah.
»Verdammt! Es ist wirklich das letzte, an einem solchen Ort Chef zu sein! Hat man dir nicht ein bißchen Respekt vor deinem Vorgesetzten beigebracht, so daß du wenigstens anklopfst, bevor du ins Zimmer kommst?«
Die Sekretärin bemühte sich nicht einmal, darauf hinzuweisen, daß sie genau das getan hatte. Aus Erfahrung und mit den Jahren weise geworden, wartete sie nur ab, bis die schlimmste Attacke vorüber war.
»Ich nehme an, du hast ein Anliegen«, fauchte Mellberg.
Annikas Stimme klang ruhig. »Die Gerichtsmedizin in Göteborg wollte dich sprechen. Genauer gesagt, der Pathologe Tord Pedersen. Du kannst diese Nummer hier anrufen.« Sie reichte ihm einen Zettel mit der fein säuberlich notierten Nummer.
»Hat er gesagt, worum es geht?« Die Neugier verursachte ein Kribbeln im Zwerchfell. Die Gerichtsmedizin ließ in solchen entlegenen Nestern nicht eben häufig von sich hören. Vielleicht gab es ja ausnahmsweise mal eine Gelegenheit, um ein bißchen zu zeigen, was man als Polizist so draufhatte.
Er wedelte Annika zerstreut nach draußen und klemmte den Hörer zwischen Doppelkinn und Schulter, bevor er die aufgeschriebene Nummer eifrig eingab.
Annika verschwand schnell aus dem Zimmer und schloß die Tür nachdrücklich hinter sich. Sie ließ sich an ihrem eigenen Schreibtisch nieder und verfluchte wie so oft den Beschluß der Oberen, Mellberg in die kleine Polizeidienststelle von Tanumshede zu entsenden. Laut den Gerüchten, die im Revier kursierten, hatte er sich in Göteborg unmöglich gemacht, weil er einen Asylanten, der unter seiner Verantwortung in Haft saß, gründlich mißhandelt hatte. Es war offenbar nicht sein einziger Fehltritt gewesen, aber wohl der größte. Seine Vorgesetzten hatten die Nase voll gehabt. Die Dienstaufsichtsbehörde hatte nichts beweisen können, aber da man befürchtete, daß Mellberg noch mehr anrichten könnte, wurde er mit sofortiger Wirkung auf den Posten eines Kommissars der Landgemeinde Tanumshede versetzt, wo jeder einzelne der zwölftausend Einwohner, die meisten davon gesetzestreu, ihm als ständige Erinnerung an seine Erniedrigung diente. Seine ehemaligen Chefs in Göteborg rechneten damit, daß er an diesem Ort keinen größeren Schaden anrichten konnte. Bislang war die Beurteilung richtig gewesen. Andrerseits war Mellberg auch nicht eben von größerem Nutzen.
Annika hatte sich früher auf ihrem Arbeitsplatz wohl gefühlt, doch unter der Leitung des neuen Vorgesetzten war damit Schluß. Nicht genug damit, daß sich der Kerl ständig unverschämt aufführte, er meinte außerdem, ein Gottesgeschenk für die Frauen zu sein, und Annika war diejenige, die es vor allem zu spüren bekam. Schlüpfrige Andeutungen, Kniffe in den Hintern und zweideutige
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