Die Eissegler von Tran-ky-ky
Frieden zu erkaufen. Aber es konnte zu bequem werden, zu erniedrigend. Er selbst war entschiedener Pazifist, und er war schockiert darüber, wie sehr ein paar Tage auf dieser rückständigen Welt sein bequemes Bild des Universums verändert hatten. Waren nicht die Handelspraktiken einer der großen Firmen ebenso brutal und rücksichtslos - wenn auch diskreter? Hatte Sagyanak nicht in den mit Eichenholz getäfelten Konferenzräumen stattliche Kollegen? Stand nicht der Geist, der ihn bewegte, auch hinter den Manipulationen der großen Aktiengesellschaften?
Am Ende der ersten Woche begann ihn Wannome schon etwas zu langweilen. Selbst der Hafen mit seinem stets wechselnden Panorama von Flößen und Ladungen begann schal zu werden. Er war mit Herz und Seele ein Großstadtjunge. Zwar konnte er auf den primitivsten Welten Handel treiben, sogar guten Handel treiben, es war aber die Vorstellung einer Rückkehr in die mechanisierte Bequemlichkeit einer sybaritischen Zivilisation, die ihn motivierte. Seine Seele gehörte ohne jeden Zweifel nicht der freien Natur, der Provinz.
Keiner der Kapitäne, mit denen er sich unterhielt, oder ihre Mannschaftsmitglieder hatten je von der Insel Arsudun oder von Brass Monkey gehört, noch hatten sie je Den-Ort-wo-das-Blut-der-Erde-brennt besucht.
Es war ein schöner sonniger Tag - was bedeutete, daß die Temperatur dicht unter dem Gefrierpunkt lag und einige Tran ohne Mäntel gingen. Und man brauchte sich nicht einmal in den Wind zu lehnen, um nicht weggeweht zu werden. Er begegnete Colette im Korridor. Als sie schließlich gestand, daß ihre Langeweile noch größer war als die seine, schlug er vor, gemeinsam die Insel weiter zu erforschen.
Hunnar stahl sich ein paar Minuten von seinen hektischen Vorbereitungsarbeiten zum Kampf ab, um ihnen ein paar Hinweise zu geben, wie sie herumkommen würden. Gewisse Teile der Insel würden sie leichter besichtigen können als ein Tran, während für andere das Gegenteil galt.
Noch einige Vorräte aus ihrem Lebensmittellager, und schon waren sie unterwegs.
Die Kletterpartie zu dem Sattel zwischen den beiden Berggipfeln war anstrengend. Aber der Ausblick von dort war, wie Colette ihn mit einem der wenigen lobenden Adjektive beschrieb, die sie besaß, ›großartig‹.
Man konnte hinaufblicken zu den scharf geme i- ßelten Gipfeln zu beiden Seiten, die die höchsten Punkte der Insel Sofold bildeten. Im Osten bot sich einem der Ausblick über die dichtgedrängten, steilgiebeligen Dächer der Stadt und hinaus über den geschäftigen Hafen mit dem beständigen Kommen und Gehen der Schiffe und den Dutzenden grellbunt bemalter Segel bis zu den riesigen Hafenmauern und dem endlosen Eis dahinter.
Damit hatten sie gerechnet. Was sie überraschte und erfreute, war der Blick in die andere Richtung.
Der ewig aus dem Westen kommende Wind hatte sie hart getroffen, als sie die letzte Anhöhe erstiegen. Unter ihnen dehnte sich eine weite Ebene, hie und da unterbrochen von Farmen und Ansammlungen kleiner Steinbauten. Herden von Vol und den affenähnlichen Hopsern waren in den Feldern zu sehen. Vierecke von purpurfarbenem Laisval, der Pflanze, die hier die Stelle von Weizen einnahm, bildeten im hellen Licht der Sonne flammendrote Flecken.
Dahinter konnte er ein grünes Feld ausmachen, das sich fächerförmig, so weit sein Auge reichte, bis zum Horizont erstreckte wie der Schwanz eines riesigen Paradiesvogels. Und zur Linken, kilometerweit auf dem Eis entfernt, glaubte er einen weiteren Flecken entdecken zu können.
Ihr Führer, ein munterer junger Mann namens Kierlo, erklärte, um was es sich handelte. »Dort, edler Sir und Madame, wächst das große pika- pedan, in einem Feld, das ein paar Mal größer ist als ganz Sofold. Dorthin kommt der Donnerfresser, um zu grasen.«
»Ich habe soviel von diesem Donnerfresser gehört«, sagte Ethan, während sie über den breiten Pfad schlenderten, der am Kamm entlang verlief, »daß ich sehr gerne einen aus der Nähe sehen würde.«
Der Junge lachte. »Niemand begibt sich in die Nähe eines Donnerfressers, edler Sir.«
»Dann ist er wohl böse?«
»Nein, Sir. Nicht böse. Aber er kann sehr reizbar werden, wie manche K'nith.«
Ethan kannte das K'nith. Ein kleines Tier wie eine langhaarige Ratte. Er selbst empfand es als abstoßend, aber offenbar hielt die Jugend von Wannome es sich gerne als Haustier. Sie schienen trotz ihres furchterregenden Aussehens ziemlich liebesbedürftig zu sein, neigten aber andererseits
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