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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auch meiner eine Art Sinnestäuschung… eine jener seltsamen Hallucinationen, die gewiß einst den Geist Arthur Pym’s getrübt hatten. Es schien mir, als verschmölze ich mit seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit und glaubte schließlich wirklich zu sehen, was er gesehen haben wollte. Dieser unzerreißbare Nebel war der vor den Augen des Bethörten sich wegspannende Dunstvorhang. Ich suchte darin die Flammengarben leuchtender Streifen, die am Himmel von Osten bis Westen ausflackerten. Ich suchte darin den überirdischen Gluthschein seines Gipfels! Ich suchte das Lichtzucken im Luftraum ebenso wie das vom leuchtenden oceanischen Grunde erhellte Wasser. Ich suchte nach jenem unbegrenzten Katarakt, der geräuschlos von einem hohen, in der Tiefe des Zeniths verlorenen Walle herniederfloß. Ich suchte die breiten Spalten, hinter denen sich unter mächtigen Luftwirbeln ein Chaos von schwimmenden, unbestimmten Bildern umherwälzte Ich suchte auch den weißen Riesen… den Riesen des Poles!…
    Endlich kehrte mir das klarere Bewußtsein zurück. Die visionäre Erregung, die bis zum Aeußersten getriebene Sinnesverwirrung verschwand allmählich und ich stieg wieder nach dem Lagerplatze hinunter.
    Der ganze Tag verlief unter den gleichen Verhältnissen. Kein einziges Mal erhob sich der Vorhang vor unseren Augen, und wenn der Eisberg, der seit gestern wenigstens vierzig Seemeilen weiter getrieben, dabei über das Ende der Erdachse weggekommen war, so sollten wir das jedenfalls niemals wissen können! 1
Fußnote
    1 Achtundzwanzig Jahre später, was Herr Jeorling freilich nicht ahnen konnte, hatte ein Anderer den Pol gesehen, hatte ein Anderer, am 21. März 1868, den Fuß auf diesen Punkt der Erdkugel gesetzt. Die Jahreszeit war damals schon um sieben Wochen weiter vorgeschritten und die Spuren des südlichen Winters zeigten sich bereits in der trostlosen Wüstenei, die bald von sechsmonatlicher Finsterniß verhüllt werden sollte. Das kümmerte freilich den außerordentlichen Seefahrer, an den wir hier erinnern, sehr wenig. Mit seinem wunderbaren unterseeischen Fahrzeug konnte er der Kälte und den Stürmen trotzen. Nachdem er den Packeiswall hinter sich gelassen hatte und unter dem Eispanzer des antarktischen Oceans hingeglitten war, konnte er bis zum neunzigsten Grade hinausdringen. Dort setzte ihn sein Boot an einem vulcanischen Boden ab, der mit Basalttrümmern, Schlacken, Asche und schwärzlichen Felsstücken überstreut war Am Ufer tummelten sich Schwärme von Amphibien, Seehunde und Walrosse. Darüber flatterten zahllose Völker von Strandläufern, Chionis, Alcyons und riesigen Sturmvögeln, während Pinguine regungslose Reihen bildeten. Durch Moränenschutt und Bimssteinhausen erstieg jene räthselhafte Persönlichkeit die steile Böschung eines halb aus Porphyr und halb aus Basalt bestehenden Spitzbergs genau auf dem Südpole. Und in dem Augenblicke, wo der Horizont im Norden die Scheibe der Sonne in zwei gleiche Theile zerschnitt, nahm der seltsame Mann unter seinem Namen Besitz von diesem Lande und entfaltete eine Flagge mit einem in Gold gestickten
N
. Auf dem Meere schaukelte sein unterseeisches Fahrzeug, das »Nautilus« hieß und dessen Führer sich Kapitän Nemo nannte.
    J. V.
Elftes Capitel.
Inmitten des Nebels.
    »Nun, Herr Jeorling, begann der Hochbootsmann, als wir uns am anderen Tage trafen, jetzt können wir uns Trauerkleidung machen lassen!
    – Trauerkleidung, Hurliguerly? Woraus denn?
    – Aus dem Südpol, dessen Spitze wir nicht einmal gesehen haben.
    – Ja, und der jetzt einige zwanzig Seemeilen hinter uns liegen mag!
    – Freilich und der Wind hat auf diese Australlampe 1 so geblasen, daß sie gerade ausgegangen ist, als wir darüber wegfuhren…
    – Eine Gelegenheit, die sich meiner Meinung nach nicht wieder bieten wird.
    – Gewiß nicht, Herr Jeorling, und wir können getrost darauf verzichten, das Ende des Erdenbratspießes sich in unseren Händen drehen zu fühlen.
    – Sie haben recht glückliche Vergleiche, Hochbootsmann!
    – Ich füge auch noch hinzu, daß unser Eisgefährt uns zum Teufel befördert, gewiß aber nicht in der Richtung nach dem »Grünen Cormoran«. Ach, gehen Sie mir… eine unnütze Fahrt, eine verfehlte Fahrt, die keiner so bald wieder unternehmen wird. Jedenfalls gilt es, der Sache ein Ende zu machen und nicht unterwegs zu zaudern, denn der Winter wird bald seine rothe Nase, seine rauhen Lippen und seine tief aufgesprungenen Hände zeigen! Eine Fahrt, bei der

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