Die Eissphinx
Kapitän!
– Ja… ja… auch von Arthur Pym!«
Vom 15. December ab nahmen die Schwierigkeiten der Fahrt mit der Anzahl der Eisschollen zu. Der immer zwischen Nordost und Nordwest stehende, niemals nach Süden umschlagende Wind blieb uns auch ferner günstig. Wir brauchten kein einziges Mal zwischen den Eisbergen und Eisfeldern zu lavieren oder uns an solche anzulegen, was immer seine Gefahren hat. Die Brise frischte allerdings zuweilen so stark auf, daß wir die Segelfläche vermindern mußten. Dann sah man das Meer längs der Blöcke hinschäumen, wobei es sie mit Wasserstaub, wie Felsen mit einer schwimmenden Insel, bedeckte, ohne ihre Fortbewegung jedoch aufheben zu können.
Wiederholt wurde durch Winkelmessungen von Jem West die Höhe der Eismassen bestimmt, und seine Rechnungen ergaben, daß sie zwischen zehn und hundert Toisen schwankte.
Ich für meinen Theil stimmte der Ansicht des Kapitän Len Guy zu, daß sich solche gewaltige Massen nur an einem Ufer, vielleicht eines polaren Festlandes, gebildet haben könnten. Dieses vermuthete Festland mußte aber offenbar mit Buchten besetzt, von Meeresarmen zertheilt und von Wasserstraßen zerschnitten sein, die es der »Jane« ermöglicht hatten, bis zur Insel Tsalal vorzudringen.
Die Annahme von Polarländern ist es ja gerade, was die Unternehmungen von Forschungsreisenden veranlaßt, womöglich bis zum arktischen oder antarktischen Pole zu gelangen. Auch sie nehmen für die Eisberge einen festen Untergrund an, von dem diese sich mit Eintritt der Schneeschmelze ablösen. Bei einer ausschließlichen Wasserdecke der nördlichen und südlichen Kappen der Erdkugel hätten sich die Seefahrer wahrscheinlich schon längst bis zu den Drehpunkten unseres Planeten Bahn gebrochen.
Man konnte also als gewiß gelten lassen, daß der Kapitän William Guy von der »Jane« bei seiner Fahrt bis zum dreiundachtzigsten Breitengrade, entweder durch seinen Instinct als Seefahrer oder durch den Zufall begünstigt, durch irgend einen breiten Meeresarm so weit hinausgekommen war.
Auf unsere Mannschaft machte der Umstand, daß die Goëlette sich ohne Zögern mitten unter diese treibenden Massen wagte, doch einen etwas beklemmenden Eindruck, wenigstens auf die neuen Leute, denn für die alten war das keine Ueberraschung mehr. Die Gewohnheit machte freilich alle gegen die Zufälligkeiten unserer Segelfahrt bald gleichgiltig.
Am sorgsamsten mußte jetzt auf den Wachdienst gesehen werden. Deshalb ließ Jem West auch am Fockmast eine Tonne – ein sogenanntes »Elsternest« – hissen, worin sich ein Mann fortwährend auf Ausguck befand.
Von günstiger Brise getrieben, glitt die »Halbrane« rasch dahin. Die Temperatur war erträglich – etwa zweiundvierzig Grad (+5 bis 6° Celsius). Eine Gefahr brachten nur die Nebelmassen, die über dem vielfach gesperrten Meere hinzogen und die Vermeidung von Collisionen erschwerten.
Am 16. hatten unsere Leute recht harte Arbeit. Packeisstücke und Schollen ließen oft nur einen recht schmalen Durchgang frei, der auch noch gewunden und mit scharf vorspringenden Winkeln besetzt war, so daß wir oft einer Schlangenlinie folgen mußten.
Vier-oder fünfmal in der Stunde ertönten Befehle, wie:
»Luv’ an!
– Laß treiben!« und dergleichen.
Der Mann am Steuer hatte tüchtig mit dem Rade zu thun, während die Matrosen jetzt die Stellung des Mars-und des Bramsegels wechselten oder die untern Segel gegen den Wind braßten.
Unter solchen Umständen säumte keiner bei seinen Verrichtungen und Hunt zeichnete sich wieder vor Allen dabei aus.
Wo sich dieser Mann – ein Seemann mit Leib und Seele – am nützlichsten erwies, das war dann, wenn es darauf ankam, ein Greling (kleines Kabeltau) auf eine Eischolle zu bringen, es da mit einem Wurfanker zu befestigen und das Tau mit dem Spill zu verbinden, um die langsam aufgeholte Goëlette um das Hinderniß herum zu bugsieren. Wenn es nothwendig wurde, sprang Hunt bei solchen Gelegenheiten in das kleine Boot, trieb es zwischen den Eistrümmern hin und bestieg selbst die glatten Schollen. Der Kapitän Len Guy und die Mannschaft erklärten Hunt auch für einen Matrosen ohne Gleichen. Das Geheimnisvolle seiner Persönlichkeit reizte gerade deshalb die Neugierde Aller im höchsten Maße.
Wiederholt kam es vor, daß Hunt und Martin Holt das nämliche Boot bestiegen, um eine gefährliche Aufgabe gemeinsam auszuführen. Ertheilte ihm der Segelwerksmaat dabei dann einen Befehl, so kam er diesem mit Eifer und
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