Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
Vom Netzwerk:
musste.
    Selbst auf den neueren Fotografien lächelte niemand. Nur die Anzahl der Familienmitglieder war auf den letzten Fotos geschrumpft. Auf dem letzten war nur noch Adibert Lehmko mit seinem Sohn Stephan zu sehen. In Jagduniform, vor einem toten Hirsch. Das einzige Bild in Farbe. Alice drehte ihren Kopf zur Seite. Irgendetwas an diesen Fotografien war seltsam. Sie drehte ihren Kopf, um eine andere Perspektive einzunehmen. Doch sie kam nicht drauf.
    »Das ist das Geschlecht der Lehmkos«, hörte Alice plötzlich hinter sich. »Die ersten Spuren meiner Familie lassen sich bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen … Der war von?«
    Lehrergehabe, dachte Alice. Sie tat ihm den Gefallen und spielte mit.
    »Von 1618 bis 1648. Auslöser war der Prager Fenstersturz am 8. Mai und der Aufstand der böhmischen Stände …«
    »Du hast ein phänomenales Gedächtnis. Man merkt, dass du viel liest.«
    Bemerkungen, die bei Alice auf der roten Liste standen unter der Rubrik: Nerv mich nur weiter, und sag jetzt noch, dass ich ein hübsches Mädchen bin, ein kluges dazu, blablabla. Erwachsene konnten so sinnentleert sein. Zum Glück sparte sich Lehmko weitere Bemerkungen.
    Die Präsenz von so vielen Büchern hatte etwas Sakrales an sich. Alice hatte das Gefühl, dass die Zeit zwischen den Büchern stehengeblieben war, und Lehmkos besserwisserischer Dünkel wirkte wie das Gewand eines Druidenpriesters. Stephan stand in der Tür. Freundlich kam er auf Alice zu. Aus der Nähe sah er viel älter aus. Er hatte bereits männliche Schultern, und über seiner Oberlippe wuchs schon Bartflaum. Der Sohn eines Gelehrten. Es wollte partout nicht in Alices Kopf, wie ein gebildeter junger Mann, der bald auf eine private Eliteschule gehen würde, sich mit Amalia einlassen konnte. Wie war es nur möglich,dass er seine Hände an Amalias Hintern legte und sie überdies noch küsste? Diese Art von Gesten waren an sich schon abgeschmackt und völlig widerlich, tierisches Balzverhalten, aber das auch noch mit ihrer Schwester, diesem Sumpfhuhn.
    Niemals werde ich mich so tierisch herablassen. Ich werde Philosophin. Und die beste Ermittlerin … jedenfalls kein Balzhuhn.
    Alice setzte ihr bestes Grinsen auf und begrüßte Stephan. Er hatte weiche Hände. Ganz im Gegensatz zu den anderen Jungs in Hintereck, die schon mit fünfzehn den körperlichen Grobschnitt ihrer Väter hatten, mit Händen, die sich bestenfalls zum Holzhacken eigneten.
    »Komm, ich zeige dir das Haus.«
    »So viele Bücher«, staunte Alice. Wo Bücher waren, da war auch Geist. In Hintereck hätte sie das am allerwenigsten vermutet. An einer Wandreihe war ein Bücherregal, auf dem Lehmkos Bücher standen. Dazwischen Pokale von Buchpreisen wie Jagdtrophäen. Dazu ein Bild, auf dem Lehmko dem bayrischen Ministerpräsidenten die Hand schüttelte. Auf einem anderen Bild war Lehmko zu sehen, wie er eine Ansprache auf einem Kongress hielt. Schriftstellerkongress Milano 1990 stand darunter. Sie wusste zwar, dass Lehmko ein gebildeter Mensch war, doch sie hatte keinen Gelehrten in ihm vermutet.
    »Das sind die Bücher, die ich unter meinem Namen verfasst habe«, sagte Adibert Lehmko. »Sie sind schon eingestaubt. Niedrige Auflagen. Bis auf ein paar Bibliotheken, einigen Schulen und freundlich geneigten Bekannten hat sie niemand gekauft.«
    Alice überflog nur die Buchrücken.
    Gehirnwäsche und Neurodidaktik. Ein Weg zu einem neuen Lernen.
    »Das war meine Dissertation. Damals noch Science-Fiction. Heute sind die Gehirnwissenschaften längst viel weiter.«
    Die Philosophie des Schmerzes, von Adibert Lehmko.
    Alice klappte den schmalen roten Einband auf. Das Buch öffnete sich an einer Stelle, an der eine Seite entweder absichtlich oder unabsichtlich umgeknickt war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der Bücher liebte, diese absichtlich durch Eselsohren beschädigte. Die aufgeschlagene Seite war nicht nur beschädigt, jemand hatte mit Kugelschreiber einige Zeilen unterstrichen.
    Den Schmerz teilen sich Mensch und Tier. Im Gegensatz zu den Pflanzen haben sie ein Nervensystem. Das Gehirn ist ein Teil dieses Nervensystems. Der Schmerz ist die dunkle Seite unseres Denkens. Er ist immer da, selbst wenn wir nicht leiden, ist er da in der Angst. Das Wissen um den Schmerz unterscheidet den Menschen vom Tier …
    »Das sind philosophische Essays und Artikelsammlungen.«
    Erfülltes Leben mit Gott, von Adibert Lehmko.
    Auf Gottes Pfaden, von Adibert Lehmko.
    Homer oder die Kunst des

Weitere Kostenlose Bücher