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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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fremde Computer gehackt, den WLAN einiger Gäste geknackt, ich habe Mails mit falschem Absender geschrieben … und …« Er redete gleichmäßig. Seine Hände glitten unter das Kniebrett, wo er das Handy befestigt hatte. Doch da war nichts. Er bückte sich und suchte genauer. Vielleicht hatte sich das Klebeband gelöst. Weder Handy noch Klebeband waren zu finden. Schweiß presste sich aus seinen Poren. Ihm wurde heiß. Das Handy hatte automatisch abgeschaltet. Es hatte kein Geräusch verursacht, und wer blickte schon unter die Kniebank? Das war unmöglich. Doch es gab nur diese Möglichkeit. Der letzte Besucher im Beichtstuhl hattedas Handy gefunden, und er wusste, dass sie ihn belauscht hatten.
    Mein Werk ist noch nicht vollbracht, noch nicht ganz.
    Der letzte Satz klang in Toms Kopf wie eine Drohung nach.
    Er musste dringend Alice erreichen, bevor es zu spät war. Plötzlich hatte er Angst. Angst um sein Leben.
    »Gibt es auch Räume ohne Bücher?«, fragte Alice. Sie wunderte sich, wie seltsam ihr die Frage vorkam. Ein Haus aus Büchern. Tausende von Pforten in die Vergangenheit, zu Autoren, deren Knochen längst zu Staub verfallen waren. Außer ein paar Romanen ihrer Mutter und Geo-Zeitschriften hatte ihr Vater nichts Lesbares im Haus. Abgesehen von der Bedienungsanleitung des Elektroofens.
    »Nein, ich glaube, die Bücher haben jeden Winkel des Hauses erobert. Eine Bibliothek in den Bergen, sagt mein Vater immer. Bis auf den Keller. Zu tief und zu feucht. Komm, ich zeig ihn dir. Dann hast du alles gesehen.«
    Tom zog den speckigen Vorhang weg und verließ den Beichtstuhl. Die Kirchenbänke waren leer. Tauwasser tropfte vom Gewölbe. Pok … pok. Sie waren aufgeflogen. Doch wie war es möglich? Kein Mensch, der zur Beichte ging, rechnete damit, dass er abgehört wurde. Wie hatte die Gestalt das Handy unter dem Kniebrett finden können? Wer es auch war, er war misstrauisch, und wer so misstrauisch war, wollte es ganz genau wissen.
    Sobald Tom die Kirche verlassen hatte, würde er wissen, wer ihn belauscht hatte. Er brauchte nur zu warten. Der Ausgang zum Pfarrhaus hinter dem Altarraum. Dort hatte er als Ministrant vor dem Gottesdienst gewartet. Er machte kehrt und nahm die entgegengesetzte Richtung durch das Hauptschiff, durch den Altarraum. Der Schlüssel der schmalen Holztür stecktevon innen. Er kletterte über die Friedhofsmauer, kletterte über die grauen Schneehügel, die der Schneepflug aufgeschoben hatte, und erreichte die Talstraße. Er zögerte. Er wählte Alices Nummer von seinem zweiten Handy. Wenn er sich unauffällig verhielt und einfach die Straße runterging? Wenn er nur sehen konnte, wer vor der Kirche wartete. Wenn überhaupt jemand wartete. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Verdammt, warum hatte er sich nur darauf eingelassen?
    Ego te absolvo.
    Er steckte die Hände in die Hosentaschen und lief bis zur Kirche zurück. Doch der Platz vor der Kirche war leer. Er blieb stehen.
    Geh weiter. Wenn du stehen bleibst, dann weiß er, dass du es warst. Niemand bleibt bei der Kälte stehen und schaut nur in die Luft.
    Tom wandte sich in jede Richtung, doch er sah niemanden. Dann hörte er Alices Stimme am Telefon, und im selben Augenblick sah er eine Gestalt in einem dunklen Lammfellmantel, eingehüllt in eine Wollmütze. Sie winkte ihm zu, freundlich, so als wäre es ein glückliches Zusammentreffen. Die Gestalt war hinter dem kahlen Stamm einer Eiche vorgeschnellt. Die Eiche war über fünfhundert Jahre alt, hieß es auf einem Schild, das im Sommer am Fuß des Baumes zu lesen war. Ihr Stamm wurde von stählernen Klammern zusammengehalten. Er war hohl und wäre sicherlich schon auseinandergebrochen, wenn der Musikverein nichts gespendet hätte, um ihn zu erhalten. Und jetzt stand die Gestalt vor der Eiche. Über Jahrhunderte hatte man die Eiche als Richteiche genutzt, erzählte man. Todesurteile waren an ihr vollstreckt worden. Die Wurzeln hatten das Blut und den Urin der Sterbenden aufgesogen. Die erstickten Schreie, wenn man sie erhängte. Tom begann zu zittern. Die Gestalt winkte ihm doch nur … Es konnte auch jemand anders sein,der zufällig hier war. Ein verdammter Zufall … Er hatte es verbockt. Am liebsten wäre er weggelaufen, die Straße hinauf und hätte sich in sein Zimmer eingesperrt. Bitte Neustart. System starten. Bug. Warum konnte es nicht ein Fremder sein, der da vor ihm stand? Doch es war kein Fremder. Alice hatte ihn gewarnt. Der Mörder kommt aus Hintereck. Sie werden ihn finden.

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