Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Herr seines eigenen Schicksals werden und Elbenhaven den Rücken kehren musste.
Er ging gemessenen Schrittes über den inneren Burghof.
Überall traf man Vorbereitungen für das Ankunftsfest. Eine junge Elbin warf ihm einen Blick zu. Es war ein recht langer Blick, doch als er kurz stehen blieb und ihr das Gesicht zuwandte, senkte sie verschämt die Augen. Sie hieß Sarámwen und war die in Elbiana geborene Tochter von Siranodir mit den zwei Schwertern, einem treuen seegeborenen Gefolgsmann König Keandirs.
Magolas wusste, dass Sarámwen ihm zärtliche Gefühle entgegenbrachte, doch sein Interesse an der jungen Elbin hielt sich in Grenzen. Immer wieder dachte er an die ungezügelte Leidenschaft, die er einst mit seinen feinen Elbensinnen während einer Reise nach Tagora in den Augen der Menschenfrauen zu erkennen geglaubt hatte. Ein Feuer, das ihn schon damals angezogen hatte und seither seine Gedanken beschäftigte. Wie blutleer wirkten dagegen die Frauen Elbianas. Mochten sie auch um vieles kultivierter sein als selbst die Menschenfrauen der zivilisierten Tagoräer, so konnte sich Magolas schwerlich vorstellen, eines dieser zarten, zerbrechlich wirkenden, gedankenschweren und im Vergleich zu den Menschenfrauen temperamentlosen Geschöpfen dereinst zu seiner Gefährtin zu nehmen. Die Tagoräerinnen und Rhagar-Frauen verschwendeten ihre geballte Lebenskraft innerhalb weniger Augenblicke und ohne Bedenken, während es der elbischen Art entsprach, diese eher zurückzuhalten und aufzusparen. Vielleicht war das der Grund dafür, dass Elben eine so hohe Lebenserwartung hatten und nur äußerst selten eines natürlichen Todes starben, während das Menschenleben einem kurzen, rauschhaften Tag glich. Es war wie das Aufblitzen eines Feuerwerkskörpers, wie die Elben sie zum Ankunftsfest verschossen: ein einziger Moment nur, der schon vorbei war, ehe er richtig begonnen hatte.
Ein Geräusch riss Magolas aus seinen Gedanken. Es kam aus großer Ferne und glich dem Hufschlag eines Pferdes. Aber Magolas erkannte schon im ersten Moment, dass es kein gewöhnlicher Hufschlag war, auch wenn er dessen Andersartigkeit nicht zu erklären vermochte. Dieses ferne Geräusch drang durch all die vordergründigen Laute und Gesprächsfetzen durch und überlagerte sie zeitweilig sogar.
Ein Streich, den ihm die feinen Elbensinne spielten? Eine Überreizung des Elbengehörs, die vielleicht sogar das Aufsuchen eines Heilers notwendig machte? Oder war dies ein Phänomen, das auf irgendeine Weise mit Magie zu tun hatte?
Mit einer Magie, die nicht den Kräften entsprach, mit denen jeder Elb von klein auf gewohnt war umzugehen, auch wenn die Talente bezüglich der Beherrschung dieser Mächte sehr unterschiedlich ausgeprägt waren.
Magolas erkannte, dass er offenbar der Einzige war, der diese Laute registrierte. Er ging auf das Tor des inneren Burghofs zu und folgte damit einfach einer spontanen Regung. Seine Hand legte sich um den Griff des namenlosen Schwertes an seiner Seite. Aus den Augenwinkeln bemerkte er den Ausdruck von Enttäuschung auf Sarámwens Gesicht, die wohl gehofft hatte, der Königssohn würde sie ansprechen und sich einem kurzen Gespräch mit ihr widmen.
Seine Schritte wurden schneller, der Hufschlag, den er vernahm, lauter und drängte schließlich alle anderen Geräusche derart in den Hintergrund, dass Magolas sie kaum noch wahrnahm. Die Gedanken rasten ihm nur so durch den Kopf. Eine seltsame Empfindung beherrschte ihn, die ihm irgendwie bekannt vorkam.
Und dann dachte er plötzlich wieder an die Bootsfahrt, die Andir und er damals unternommen hatten. Er sah die Küste Naranduins vor sich, spürte wieder die Anziehungskraft dieser vollkommen andersartigen uralten Magie, die dieses Eiland beherrschte.
Magolas überkam ein Frösteln. Was ging nur mit ihm vor?
Waren auf einmal Kräfte am Werk, die mit der Magie von Naranduin vergleichbar waren? Wie war sonst diese Ähnlichkeit der Empfindung zu erklären? Unter dem Burgtor, dessen beide Flügelhälften offen standen, blieb Magolas stehen. Den Gruß der Wachen gegenüber einem der höchsten Repräsentanten des Elbenreichs nahm er überhaupt nicht zur Kenntnis. Alles, was um ihn herum geschah, wirkte auf Magolas nicht mehr wirklich.
Der Hufschlag dröhnte inzwischen so laut, dass seine empfindlichen Elbenohren zu schmerzen begannen. Und doch war weit und breit kein Reiter zu sehen, auf den dieser schier unerträgliche Lärm zurückzuführen gewesen wäre, und zudem schien
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