Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
leise vernahm er die Antwort des Schamanen. Aber sie klang wie aus großer Ferne und war selbst für das feine Gehör des Elbenkönigs nicht mehr gut genug zu hören, um die Worte verstehen zu können, und wenig später war die lichtumflorte Gestalt vollkommen verschwunden.
Keandir hob den seiner Kraft beraubten Elbenstein, den Brass Elimbor einfach zu Boden hatte fallen lassen, auf.
»Ein wertloser Stein ist er nun!«, murmelte Keandir, und als er die Hand um den grauen Stein schloss, der einst Athrandil gewesen war, glaubte er, den Schmerz zu spüren, den die Seele des Elbensteins bei ihrer Vernichtung empfunden hatte.
»Wir werden schon sehr bald aufbrechen müssen, um das Geheimnis des Axtkriegers und seiner gnomenhaften Lakaien zu lüften«, sagte der König. »Vielleicht kehrt Lirandil schon nächstes oder übernächstes Jahr nach Elbenhaven zurück.
Dann wissen wir hoffentlich mehr und können uns auf die Suche machen.«
In diesem Augenblick begann sich die Sonne zu verdunkeln.
Sie wurde zu einem düsteren Fleck am Himmel, und schwarzes Licht strahlte von ihr aus, das sich immer mehr ausbreitete und nach und nach den gesamten Himmel in ein dunkles Grau verwandelte.
»Hast du eine Erklärung dafür, was da geschieht?«, fragte Keandir seinen Sohn.
Magolas schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Schade. Ich hatte immer angenommen, dass meine Söhne in der Magie bewanderter und talentierter wären als ich.«
Magolas sah sich durch die Worte seines Vaters herausgefordert, und so spekulierte er: »Nun, ich könnte mir denken, dass nicht nur Brass Elimbors Anwesenheit in dieser Albtraumwelt begrenzt ist, sondern auch die unsere.«
»Und deshalb wird der Himmel so düster?«, fragte der König.
Als Magolas nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich hätte nichts gegen eine Rückkehr in die Sphäre der Lebenden einzuwenden.«
Es dauerte eine Weile, bis sich das düstere Grau am ganzen Himmel ausgebreitet hatte. Und dieses Grau wurde zudem immer dunkler, bis nachtschwarze Finsternis über dem unheimlichen Land lag. Es wurde stockdunkel, als auch der letzte helle Streifen am Firmament verschwand. Für Augenblicke konnten Keandir und Magolas nichts mehr sehen, so sehr sie sich auch darum bemühten. Selbst der letzte Rest Licht schien getilgt zu sein, sodass nur noch Dunkelheit blieb.
»Vielleicht ist dies nicht das Ende des Albtraums, sondern sein Beginn, Vater«, murmelte Magolas.
7
ZERRINNENDE ZEIT
Vielleicht, so überlegte König Keandir hinsichtlich der absoluten Finsternis, die ihn umgab, vielleicht war dies Maldrana, das Reich der Verblassenden Schatten, in das irgendein ungnädiges Schicksal ihn und seinen Sohn verbannt hatte. Ein Schicksal, von dem er geglaubt hatte, es beherrschen zu können. Er machte einen vorsichtigen, zögernden Schritt nach vorn, hinein in die Ungewissheit des Dunkels.
»Hört Ihr das Rauschen des Meeres, Vater?«, fragte Magolas.
Und tatsächlich, nun fiel es auch dem König auf. Das vertraute, allgegenwärtige und normalerweise nie verstummende Geräusch, das in Elbenhaven stets den charakteristischen Klanghintergrund bildete, war wieder da.
Zuerst sehr leise, sodass es auch ein Elb kaum hören konnte.
Doch allmählich trat es mehr in den Vordergrund und hatte schließlich jene Stärke erreicht, an die sich König Keandir in all den Jahren, die er nun schon seine Residenz in Elbenhaven bewohnte, gewöhnt hatte.
Der Geruch von Seetang hing in der Luft, der Wind blies ihm um die Ohren. Ein Wind aus Norden, der kühl war, aber frisch.
Dann erschienen innerhalb weniger Augenblicke die ersten Sterne am Himmel, einer nach dem anderen. Wie funkelnde Lichter, die am Firmament entzündet wurden. Der Mond stand wie ein großes, allsehendes Auge über dem Meer, sein Licht spiegelte sich im Wasser, und auch die Konturen der Burg und der Stadt Elbenhaven tauchten wieder aus dem Dunkel hervor.
Auf den Wehrgängen patrouillierten Wächter.
»Haben wir dies alles nur… geträumt?«, fragte Magolas verwundert.
Sein Vater öffnete die Hand. Darin befand sich noch immer der graue Stein, der einst Athrandil gewesen war. »Nein«, sagte er mit leiser Stimme. »Dies alles ist wirklich geschehen.«
»Dann wurden auch die Stäbe des Augenlosen Sehers tatsächlich geraubt!«, sagte Magolas, und diesmal war es keine Frage.
»Ich werde gleich nachsehen«, entschied der Elbenkönig,
»doch ich bin mir dessen jetzt schon sicher.«
»Keandir!«
Es war kein hörbarer Ruf, den der König in diesem
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