Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Kopf.
Sorgen machte der Königin etwas anderes. Der letzte Bote, der auf dem Landweg über Mittel-Elbiana den Hof von Elbenhaven erreicht hatte, hatte davon berichtet, dass die nordbergische Stadt Turandir dank des Einsatzes von Keandirs Streitmacht gerettet worden war und der König die wilden Horden der Angreifer in die nördlichen Wälder des Waldreichs verfolgt hatte, vielleicht sogar bis nach Wilderland. Aber danach war nichts mehr über sein Schicksal bekannt, und Gleiches galt für Herzog Isidorn, der den König mit dem Hauptteil seiner Truppen begleitet hatte.
Von Turandir ausgesandte Kundschafter hatten die Spuren einer Schlacht gefunden, die an der Grenze des Waldreichs und den südlichsten Hängen Nordbergens stattgefunden hatte, aber weder den Leichnam des Königs noch den des Herzogs von Nordbergen entdeckt. Weiter hatten sich die Kundschafter nicht vorgewagt, denn sie fürchteten sich angesichts der enormen Zahl von erschlagenen Trorks, die sie vorfanden und die ihnen einen Eindruck davon gaben, wie groß die Masse der Invasoren tatsächlich sein musste.
Seitdem hatte niemand mehr etwas von König Keandir und den Seinen gehört, und schon machten die merkwürdigsten Gerüchte die Runde. Tatsache blieb jedoch, dass Keandir bisher nicht zurückgekehrt war und sein Schiff im Hafen von Turandir am Quellsee des Nur sicher vertäut war.
Der aufkommende Westwind strich Königin Ruwen durchs Haar und trocknete die Tränen, die sich in ihre Augen gestohlen hatten. Manchmal hatte sie sich ihrem königlichen Gatten auch während seiner Fahrt nach Turandir sehr nahe gefühlt und eine enge geistige Verbindung gespürt. Ein Gefühl, das ihr die Sicherheit gegeben hatte, dass ihr geliebter Kean noch lebte. Dann waren da Gefahr und Sorge gewesen, die diese geistige Verbindung ihr vermittelt hatte, und teilweise sogar Verzweiflung. Sie hatte versucht, ihn aus der Ferne zu begleiten, ohne dass sie wirklich genau hätte sagen können, was ihm widerfahren war oder vor welchen Schwierigkeiten er bei der Erfüllung seiner Königspflichten stand.
Es war das erste Mal seit der Schlacht an der Aratanischen Mauer, dass sie für längere Zeit getrennt waren, und sie hatte dieser Fahrt mit Unruhe und Unbehagen entgegengesehen.
Aber die Tatsache, dass die innere Verbindung zwischen ihnen stärker war denn je und dass vor allem auch die Entfernung dabei nicht die geringste Rolle zu spielen schien, hatte sie beruhigt und ihr Kraft gegeben. Kraft und die Gewissheit, dass Keandir zu ihr zurückkehren würde.
Aber irgendetwas störte nun diese Verbindung. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber da schien auf einmal eine Barriere zu sein, die ihre geistigen Sinne abschirmte. Das war der eigentliche Grund ihrer Sorge.
Sie vernahm Schritte. Jemand kam die Treppe zur Burg hinauf. Magolas… Sie erkannte ihren Sohn sofort. Als er sie erreichte, hätte sie sich nicht umzudrehen brauchen, aber sie tat es dennoch. Das Gesicht des Königssohnes war ernst.
»Du hast mit Prinz Sandrilas gesprochen«, stellte sie fest. Sie konnte es seinem Blick ansehen.
Magolas nickte. »Ja, und er ist der Meinung, dass die Zeit gekommen ist, eine Entscheidung zu fällen – auch ohne den König.«
»Es sind nur ein paar Monate vergangen, seit er Elbenhaven verlassen hat«, hielt Ruwen dagegen. »Mein Sohn, das ist doch eine nahezu lächerlich kurze Zeit!« Dies widersprach zwar ihrer eigenen Empfindung, entsprach aber objektiv den Tatsachen, und vor allem widerstrebte es ihr einfach, dass wichtige Entscheidungen ohne den König getroffen werden sollten. Das vermittelte ihr das Gefühl, man habe ihn aufgegeben, und das, ohne dass wirklich ein Grund dafür bestand. Den Umstand, dass sie die geistige Verbindung zu ihm verloren hatte, behielt sie für sich.
»Sandrilas ist der Meinung, dass wir unsere Zeitvorstellung der der Rhagar anpassen müssen, wenn es um die Politik geht.
Sonst haben wir keinen Einfluss auf sie und können einen neuen Krieg weder vermeiden noch gewinnen.« Magolas sprach mit einer Entschlossenheit, die Ruwen im ersten Moment erschreckte. In manchen Momenten erinnerte Magolas sie immer mehr an Keandir und an dessen Energie und Willenskraft, mit denen er Elbiana seinerzeit gegen alle Widerstände errichtet hatte. Wie schwer musste es für Magolas sein, nicht Herrscher eines eigenen Reiches zu sein, bis sein Vater starb oder des Herrschens überdrüssig wurde, überlegte Ruwen, und das nicht zum ersten Mal.
»Meinst du nicht, dass
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