Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
durchquerten dabei eine lang gezogene Schlucht, durch deren Talsohle inzwischen eine breite Straße ins Landesinnere führte. Rechts und links erhoben sich schroffe Felsenhänge. Und hinter den Kämmen der nächsten Anhöhen überragte der Elbenturm das Land.
Der König hatte wichtige Dinge mit Thamandor dem Waffenmeister zu beratschlagen. Dinge, die mit der Sicherheit des Elbenreichs zu tun hatten. Davon abgesehen hatte es sich Keandir zur Gewohnheit werden lassen, der Manufaktur mehr oder minder regelmäßig einen Besuch abzustatten, um sich persönlich von den Fortschritten zu überzeugen, die dort bei der Herstellung noch wirksamerer Waffen gemacht wurden.
Das Elbenreich hatte schließlich mächtige Feinde, und ein kommender Krieg dämmerte bereits wie ein unvermeidliches Verhängnis herauf. Dass sein eigener Sohn die Heere der Rhagar anführte, versetzte Keandir jedes Mal einen schmerzhaften Stich, wenn er nur daran dachte.
Er selbst hatte sich auch ein eigenes Reich geschaffen, versuchte er sich dann immer wieder vor Augen zu halten. Wie hätte er also allzu hart über Magolas urteilen können, wenn er nicht auch gleichzeitig ein Urteil über sich selbst fällen wollte.
König Keandir sog die kühle Bergluft in seine Lungen. Die Sonne schien, aber der König und sein Gefolge aus zwei Dutzend Reitern bewegten sich gerade durch eine Zone innerhalb der Schlucht, die im Schatten lag. Eisig war es dort, und obgleich Elben Kälte wenig ausmachte, fühlte der König von Elbiana ein Frösteln. Es war ein kalter Hauch, der selbst das tiefste Innere seiner Seele zu erfassen schien.
Seine Augen wurden schmal. Er wandte den Kopf und ließ den Blick über die Felsen schweifen. Da war etwas in der Nähe. Etwas Kaltes, Böses.
Er spürte die Unruhe seines Pferdes und strich dem Tier über den Hals, woraufhin es sich etwas beruhigte; der Herzschlag des Rosses aus edler Elbenzucht verriet es. Für ein Elbenohr bedeutete es keine Schwierigkeit, das Pochen des Tierherzens aus der Unzahl von Naturgeräuschen herauszuhören.
»Wenn wir hundert Flammenspeere hätten, wäre das Elbenreich zumindest für das nächste Jahrtausend nicht mehr in Gefahr!« Es war die Stimme von Siranodir mit den zwei Schwertern, die Keandir aus seinen Gedanken riss, und auch das kalte Etwas, dieser Hauch des Bösen, war plötzlich wie verflogen.
Wurde er bereits zu misstrauisch? Sah er schon überall Mächte am Werk, die aus dem Verborgenen heraus daran arbeiteten, ihm die Herrschaft über sein Schicksal zu entreißen und die Elbenheit wieder in jene Lethargie des Lebensüberdrusses versinken zu lassen, aus der Keandir sein Volk befreit hatte, indem er das neue Elbenreich im Zwischenland gegründet hatte?
Ein Ruck ging durch den König. Er sah seinen getreuen Gefolgsmann Siranodir an und sagte: »Verzeiht, ich bin nicht sehr aufmerksam.«
»Wir müssen Thamandor dazu bringen, dass er seinen Drang nach Perfektion zügelt und endlich mit der Massenproduktion beginnt.«
Der von Thamandor entwickelte Flammenspeer war inzwischen zur Gänze ausgereift. Während des Feldzugs gegen die Trorks im Wilderland war er wiederholt eingesetzt worden und hatte jene ungeschlachten, augenlosen Barbaren, die wie eine groteske Mischung aus Trollen und Orks wirkten, das Fürchten gelehrt. Nur dem Einsatz von Thamandors Flammenspeer war es zu verdanken, dass die nordbergische, an den Ufern des Nur-Quellsees gelegene Elbenstadt Turandir gehalten werden konnte und die Angreifer zurückgeschlagen wurden.
Inzwischen hatte Thamandor bereits einen weiteren Speer fertiggestellt. Eine ganze Jahrhunderthälfte hatte der Waffenmeister dazu gebraucht, denn der Mechanismus dieser Waffe war äußerst kompliziert, und für seine Akribie war Thamandor der Waffenmeister ebenso bekannt wie für seinen Erfindungsreichtum. Aber um wirklich eine Massenproduktion dieser Waffen beginnen zu können – gedacht war an mindestens fünf Waffen pro Jahrhundert – musste zunächst die Versorgung mit einer Substanz sichergestellt werden, die man
»Naranduinitisches Steingewürz« nannte, und deren Hauptbestandteil war ein pulverisierter Stein des Magischen Feuers, der auf der Insel Naranduin zu finden war. Ohne diese Substanz war ein Flammenspeer in keinem Fall funktionsfähig.
Thamandor hatte seinerzeit einen einzigen dieser Steine in seinen Besitz gebracht und für die Entwicklung des Flammenspeers benutzt. Doch die Vorräte an diesem Pulver waren inzwischen verbraucht, und selbst bei dem
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