Die Elefanten Hannibals
Verweichliche sie nicht, laß sie das Leben einfacher Krieger führen. Der Würdigste soll Feldherr werden."
Dann begann er zu phantasieren, flehte, befahl. Als er wieder zu Bewußtsein kam, hob er mühsam den Kopf. Vor ihm knieten seine beiden jüngeren Söhne, blaß, verstört.
Sein Blick suchte Hannibal.
„Er ist schon auf dem Wege hierher", flüsterte Hasdrubal.
„Die Elefanten!" stieß der sterbende Feldherr hervor. „Die Elefanten sollen Rom zertreten! Hört ihr, junge Löwen?"
Sein Haupt sank auf das Kissen zurück.
Trauer
Karthago trauerte. Die Menschen gingen in schwarzen Gewändern und hatten ihr Haar mit Asche bestreut. Viele glaubten, daß Hamilkars Tod der Wiedergeburt ihrer Heimat ein Ende setzen und daß die mit soviel Mühe und so gewaltigen Verlusten geschaffene iberische Armee sich unverzüglich auflösen würde, denn wem sollten sich die Söldner nun unterordnen? Doch nicht Hasdrubal, der weder Hamilkars Kriegserfahrung noch seinen Ruhm besaß? Und schon gar nicht dem Grünschnabel Hannibal!
Die Nachricht von Hamilkars Tod erschütterte Hannibal zutiefst. Der Vater hatte gesagt, daß sie sich für lange Zeit trennen müßten, und nun hatten sie sich für immer getrennt.
Er konnte sich kaum vorstellen, daß dieser kraftvolle Mann, der einzige Mensch, der ihm wirklich nahegestanden hatte, nicht mehr am Leben war. Wem sollte er jetzt von seinem Mißerfolg mit Masinissa berichten?
Wer würde ihn von seinen Sorgen und Zweifeln befreien?
Erst jetzt erkannte Hannibal, was sein Vater für die Republik gewesen war. Er wurde von Stolz und Trauer hin und her gerissen, wenn ihm unbekannte Männer Worte des Mitgefühls sagten. Einige hatten unter seinem Vater in Sizilien gekämpft, andere hatte er vor den aufständischen Sklaven und Söldnern gerettet, und alle sprachen von ihm wie von einem Vater. Hannibals Kummer wurde noch größer, als er erfuhr, was sich im Großen Rat zugetragen hatte. Hanno und seine Anhänger waren zur Trauersitzung in weißen Gewändern erschienen, als wäre der Tod des großen Feldherrn für sie ein Freudentag.
Stehend hörten die Stadträte die Rede des Suffeten Bomilkar über die Verdienste des Feldherrn Hamilkar an. Aber dann nahm Hanno das Wort.
„Über das, was vergangen ist, sind jetzt genügend Worte verloren worden!" begann er scharf. „Denken wir an die Zukunft. Hamilkar hat uns ein Erbe hinterlassen - die iberische Armee mit seinem Neffen Hasdrubal an der Spitze. Das ist gleichbedeutend mit einem neuen Krieg, und die Götter mögen wissen, was er uns diesmal kosten wird. Nur die Auflösung der Armee wäre Karthagos Rettung. Und der junge Hannibal, der von Hasdrubal nach Iberien befohlen wurde, müßte hier zurückgehalten werden. Laßt ihn fern vom Heer leben, dem Großen Rat Karthagos und den Gesetzen Untertan."
Von seinen Freunden gewarnt, ritt Hannibal auf dem kürzesten Wege zum Hafen von Utica.
Dort konnte er am schnellsten ein Schiff finden. Und dort wurde er auch von Masinissa erwartet.
Masinissas Pferd, von dem er sich niemals trennte, war mit Schaumflocken bedeckt. Offensichtlich hatte Masinissa es ebenfalls eilig gehabt.
Er hielt eine Schriftrolle mit dem Königssiegel in der Hand. „Mein Vater befahl mir, dir dies zu übergeben." Er hielt Hannibal die Schriftrolle hin. „Er weiß schon vom Tode Hamilkars und trauert mit dir."
„Und wie steht es mit Sophonisbe?" fragte Hannibal und schob die Schriftrolle in sein Gewand.
„Weshalb hast du mir nicht gleich die ganze Wahrheit gesagt?" fragte Masinissa vorwurfsvoll zurück. „Auch mein Vater will von diesem Verlöbnis nichts wissen. Er wird niemals zulassen, daß der Feind deines Vaters mein Schwiegervater wird."
„Ich konnte es dir damals nicht erklären, du warst allzu erregt. Sophonisbe hat keine Schuld, daß Hanno ihr Vater ist, aber Gula hat recht, wenn er sich weigert, deine Bitte zu erfüllen."
„Nein, er hat unrecht, unrecht!" rief Masinissa. „Was geht mich die Feindschaft eurer Väter an? Dein Vater - mögen ihm die Götter der Unterwelt gnädig sein - ging in jenes Land, aus dem es keine Rückkehr gibt. Und mit ihm ging die Feindschaft. Die Schatten sollen den Lebenden nicht den Weg versperren."
„Aber Hanno ist kein Schatten!" seufzte Hannibal. „Gestern hat er im Großen Rat gefordert, daß ich hier zurückgehalten werde. Er ist mein Feind."
„Na, wennschon!" Masinissa blickte an Hannibal vorbei. „Trotzdem werde ich Sophonisbe entführen.
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