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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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Vater sie an Stelle des Jahrestributs an Hasdrubal verschachert hatte und daß sie den jungen Iberer Wlamun liebte, dem sie seit ihrer Kindheit versprochen war. 
    Aber bei den Gästen schlug die Festfreude hohe Wogen. Karthagische, sizilianische und gallische Weine flössen in Strömen. Die berauschten karthagischen Offiziere schworen ihren iberischen Zechgenossen und ehemaligen Feinden in gebrochenem Iberisch ewige Freundschaft und schlossen sie zärtlich in die Arme. Plötzlich ertönten iberische Hörner, Knochenklappern rasselten, und drei iberische Krieger sprangen in den Saal.
    Sie trugen Masken vor dem Gesicht und hielten funkelnde Dolche in der Hand.
    „Ein Waffentanz, ein Waffentanz!" riefen die Gäste entzückt, sprangen von den Plätzen und klatschten im Takt.
    Auch Hasdrubal erhob sich, eine iberische Weinschale in der Hand. Doch da wurde die Musik von einem Schrei des Entsetzens übertönt. Ein Tänzer hatte sich auf Hasdrubal gestürzt und ihm den Dolch bis zum Griff in die Brust gebohrt.
    Hasdrubal stürzte tot zu Boden. Der Mörder blieb vor ihm stehen, die Arme über der Brust verschränkt. Die Maske war ihm vom Gesicht gefallen. Er lächelte. Sein entschlossenes gebräuntes Antlitz verriet weder Angst noch Verwirrung.
    Mit ausgestreckten Armen taumelte die Braut auf ihn zu. 
    „Wlamun!" stammelte sie. „Wlamun!"
    Keiner der Gäste rührte sich. Niemand stürzte sich auf den Mörder, um ihn zu packen, ihm die Hände zu binden, ihm das Lächeln aus dem Gesicht zu prügeln.
    Hannibal spürte, daß sich alle Blicke auf ihn richteten. Der Dolchstoß setzte einen blutigen Punkt unter die Herrschaft Hasdrubals, mochten ihm die Götter der Unterwelt gnädig sein! Jetzt ging die gesamte Macht über das Heer, über das eroberte Land und - welch bedrückender Gedanke! - auch über das Schicksal des Vaterlandes auf ihn, Hannibal, über. Er duckte den Kopf, als legte sich eine unsichtbare Last auf seine Schultern.
     
     
Belagerung von Sagunt
     
    Die iberische Stadt Sagunt führte ein friedliches Leben. In den Gärten vor der Stadt reiften gelbe Birnen und rote Granatäpfel, und die Bauern pflückten die reiche Ernte in große Körbe. Im Handwerkerviertel drehten sich von früh bis spät lautlos die Töpferscheiben. Fleißige Hände formten den berühmten saguntinischen Ton, der leichter ist als Wasser. Das in unterirdischen Töpferöfen gebrannte Geschirr hatte einen rostbraunen Schimmer, der überall dort hoch geschätzt wurde, wo man von Tongeschirr etwas verstand.
    Die Fischer brachten in Schilfkörben die Gaben des Meeres auf den Markt - Fische mit Glotzaugen und große Hummer, deren Schnurrbarthaare und Kneifzangen zuckten. Die reichen saguntinischen Kaufleute saßen am Marktplatz in den Schenken und verpraßten ihren Gewinn. Kleine Jungen spielten auf der Straße.
    Im Morgengrauen, zur Stunde des Hahnenschreis, näherte sich Hannibal der Stadt. Nur wenigen Einwohnern der umliegenden Dörfer gelang es, sich hinter die Stadtmauer zu retten. Die Posten auf den Wachtürmen sahen ohnmächtig zu, wie die karthagischen Söldner in die Vororte strömten, die Häuser plünderten, das Vieh davontrieben, die weinenden Frauen und die verzweifelt schreienden Männer in die Sklaverei verschleppten.
    Die Stadtältesten riefen das Volk zum Widerstand auf. Die Schmiede, die bisher Sensen und Sicheln angefertigt hatten, konstruierten jetzt Armbrüste und Schleuderwaffen. Die Maurer reparierten die schadhaften Stellen in der Stadtmauer. Auch die Kinder waren nicht müßig. Sie brachten den Kämpfern Pfeile auf die Stadtmauer, hielten die offenen Feuer in Gang, über denen Wasser erhitzt wurde, und schleppten Steine zu den Wurfgeschützen.
    Da es Hannibal nicht gelungen war, die Saguntiner zu überrumpeln, belagerte er sie.
    Er haßte die Stadt, weil sie mit Rom verbündet war, und er hatte das Gefühl, daß ihre Mauern ihm den Weg nach Rom versperrten. 
    Sagunt war in Form eines schiefen Rechtecks erbaut, dessen südliche Spitze in eine weite Ebene vorstieß. An dieser Stelle ließ Hannibal einen vielstöckigen wandelnden Turm errichten. Die dem Gegner zugewandte Seite hatte in jedem Stockwerk Schießlöcher, durch die man mit kleinen Wurfgeschützen Steine und Pfeile schleuderte.

    Um den Turm an die Stadtmauer heranrollen zu können, mußte der Boden vorher eingeebnet und festgestampft werden. Nach Hannibals Berechnung konnte diese Arbeit höchstens zwei Wochen dauern. Aber die belagerten Saguntiner verhinderten

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