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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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erbittertster Feind sein müssen, weil nicht er, der Sohn, Hamilkars Erbe angetreten hatte, sondern Greis. Hasdrubal besaß den Oberbefehl über das Heer und alle Schätze Iberiens, und Hannibal war leer ausgegangen. Seit Jahren diente er als gemeiner Krieger im Heer, und auch in Hasdrubals Palast bewohnte er nur eine winzige Kammer, die für einen Sklaven angemessener gewesen wäre als für Hamilkars Sohn. Sie war so klein, daß keine Lagerstatt darin Platz fand, so daß Hannibal auf dem Boden schlafen mußte. Die ganze Ausstattung bestand aus Waffen, die an den Wänden hingen. Das war kaum zu glauben und kaum zu begreifen.
    Aber Hannibal empfand gegenüber Greis weder Neid noch Mißgunst, weil er wußte, daß dieser nur Hamilkars Letzten Willen erfüllte. Zudem erkannte er, daß das Werk seines Vaters von starken, zuverlässigen Händen weitergeführt wurde. Wäre Hamilkar noch am Leben, dann hätte er wohl kaum mehr erreicht. Greis hatte das gesamte östliche Ufer Iberiens bis zum Ebro mit Ausnahme der Stadt Sagunt erobert und in der Nähe von Neu-Karthago reiche Silberbergwerke erschlossen. Von vielen iberischen Stämmen erhielt er Tributzahlungen. 
    Diejenigen Karthager, die durch den Handel mit Silber und Sklaven reiche Leute geworden waren, rühmten Hasdrubal in den höchsten Tönen und unterstützten ihn im Großen Rat.
    Die Römer schlossen mit ihm ein Abkommen, worin sie seine Eroberungen in Iberien anerkannten und nur verlangten, daß er die Stadt Sagunt ungeschoren ließ.
     
     
Hasdrubals Hochzeitsfest
     
    Noch niemals war Hasdrubals Palast von einer so festlich erregten, bunten Menge erfüllt gewesen. Neben dem karthagischen Ratsherrn mit dem knöchellangen Gewand und den Goldringen an Fingern und Ohren ging ein iberischer Söldner in Rüstung mit dem Krummschwert im Gürtel oder dem Dolch im Ledergehänge. Über die kostbaren Teppiche schritten würdevoll die Frauen und Töchter der iberischen Könige. Sie trugen Lederdiademe mit eingesetzten Silbervierecken, Bronzeketten mit Amuletten und hatten zinnoberrot geschminkte Wangen. Auch Ehefrauen der karthagischen Offiziere waren zugegen; sie trugen Goldreifen an Hand- und Fußgelenken und hatten sich Saphire und Smaragde ins Haar gesteckt. In ihr kostbares arabisches Parfüm mischte sich der Gestank von Delphintalg, der bei den Iberern als heilkräftig galt. 
    Und wie verschiedenartig waren die Speisen, die auf der Tafel standen! Neben den eigens aus Karthago beschafften Goldpokalen mit dem dünnen Fuß, aus denen der Sage nach schon die Königin Dido getrunken haben sollte, standen iberische Weinschalen, bemalt mit Menschen- und Tierfiguren oder mit gelben, orangefarbenen und weißen Linien. Zum gebratenen Hundefleisch, ohne das ein karthagisches Festessen nicht denkbar war, wurden einfache Gerstenfladen gereicht - die Nahrung der iberischen Hirten.
    Es war eine Mischung aus karthagischer und iberischer Welt - das Ergebnis von Hasdrubals politischer Weisheit. Hannibal fiel ein, als Junge gelesen zu haben, daß Alexander ein ähnliches Fest in Babylon veranstaltet hatte. Auch Alexander wußte, daß er nur dann seine Herrschaft über das riesengroße persische Reich nicht verlieren würde, wenn er die persischen Sitten und Gebräuche beachtete. So hatte er an einem einzigen Tage zehntausend seiner Krieger mit den Töchtern des persischen Adels verheiratet und sich selbst mit der persischen Königstochter Roxane vermählt.
    Hannibal wußte nicht, ob Hasdrubal diese Geschichte kannte, jedenfalls tat er das gleiche wie Alexander. Er heiratete Regile, die achtzehnjährige Tochter eines iberischen Königs. 
    Sie saß an der Hochzeitstafel neben ihm.
    Hannibal betrachtete ihr kreideweißes Gesicht und ihr weißes Brautgewand, das über der Brust mit einer schweren Silbernadel zusammengehalten wurde, und dachte an Masinissa und seine Liebe zu Sophonisbe. Mit welcher Leidenschaft hatte der Numidier von dem Mädchen gesprochen, das er erst wenige Stunden kannte! Hasdrubal dagegen hatte sich schon seit einem Jahr auf die Hochzeit vorbereitet und häufig mit Hannibal über die Vorteile dieser Heirat geredet. Doch keinmal hatte er ihm geschildert, was für Augen die Braut hatte, wie ihre Stimme klang und wie sie gekleidet war.
    Erst jetzt entdeckte Hannibal, daß die Braut blaue Augen hatte; aber sie waren gerötet, und in der Zinnoberschminke, die ihre Wangen bedeckte, hatten die Tränen weiße Rinnsale gebildet. Nahezu alle Hochzeitsgäste wußten, daß ihr

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