Die Elefanten Hannibals
Welt, beide wurden wir von rachsüchtigen Göttern verfolgt, beide waren wir Bettler und von unseren Freunden verlassen." Er überlegte. „Allerdings gibt es zwischen uns doch einen Unterschied", sagte er dann. „Welchen meinst du?" Publius lächelte.
„Auf Odysseus wartete zwanzig Jahre lang seine Gemahlin, die edle Penelope, ich dagegen, den Göttern sei Dank, bin unvermählt. Ein Seemann braucht keine Penelope, er hat schon ohnedies genug am Halse. Er muß aufpassen, daß er nicht gegen ein Felsenriff fährt, nicht in einen Sturm gerät und keinen Piraten begegnet, daß sich keine Ratten im Laderaum und keine Muscheln am Schiffskiel ansiedeln, daß seine Seile nicht verfaulen und seine Segel nicht platzen. Und wenn es ihm gelingt, all das zu vermeiden, kommt ihm ein neues Unglück aufs Haupt. Zum Beispiel wird er nach Rom gerufen und erhält den Befehl: ,Kylon, fahre nach Numidien!' Den Leuten, die ihre Toga nur durch das Stillsitzen verschleißen, macht es ja keine Mühe, so etwas zu befehlen. Aber zur Zeit ist Krieg, und wenn die Karthager erfahren, wen ich an Bord habe, kümmern sie sich nicht darum, daß ich ein friedfertiger Grieche bin, sondern hängen mich da oben auf!" Er zeigte auf den Mast.
„Aber du hast dir deinen gefährlichen Beruf doch selbst gewählt, deshalb solltest du den Senatoren auch keine Vorwürfe machen, daß sie dich mit einem gefährlichen Unternehmen betrauen. Zudem erhältst du zweihundert Goldstücke, falls du mich wohlbehalten nach Rom zurückbringst."
„Was nützen mir die Goldstücke", brummte Kylon. „Aber um eins bitte ich dich: Falls man mich am Mast aufhängt, du aber wohlbehalten nach Rom zurückkehrst, dann, kaufe für die Goldstücke so viel Wein, wie sämtliche Seeleute von Capri austrinken können, während sie vor dem Auslaufen darauf warten, daß das Siebengestirn am Himmel erscheint. Versprichst du mir das?"
„Ja", erwiderte Publius, „aber nur dann, wenn es mir gelingt, die Botschaft des Senats dem König Syphax zu übermitteln." Eine Insel glitt vorbei, die an der Mündung eines kleinen Flusses lag. Sie hieß Astura und war der Erholungsort des römischen Adels. Nach einigen Stunden sah Publius den weißen Gipfel des Vesuvs in der Ferne liegen, von Olivenhainen und Weinbergen umkränzt. Er gehörte zu der fruchtbaren Provinz Kampanien. Rechts von ihm erstreckten sich die Phlegräischen Felder, wo der Sage nach einst die Götter mit den Riesen kämpften. Und den Menschen blieb späterhin nichts anderes übrig, als dem Beispiel der Götter zu folgen und ebenfalls zu kämpfen. Das schöne Land am Vesuv hatte zahllose Eroberungszüge über sich ergehen lassen müssen, und jetzt waren die Karthager offenbar an der Reihe. Vor seiner Abreise aus Rom hatte Publius erfahren, daß Hannibal auf Kampanien zumarschierte. Vielleicht war er jetzt schon in Capua! Und Fabius? Ob er wieder zurückweichen würde? Ob er auch diese Provinz den Karthagern überlassen wollte?
Das Schiff fuhr jetzt durch die Meerenge, die die Halbinsel Salerno von der Insel Capri trennte. Capri war Kylons Heimat. Mit den feurigsten Worten beschrieb er Capris Schönheit, aber sie verblaßten vor den leuchtenden Farben, vor dem Zauber der steinigen und grünen Hügel, die sich gegen den hellblauen Himmel abhoben. Südlich von Salerno wurde das Ufer höher und ging in eine bucklige dunkle Hügelkette über. Hier konnten sie schon auf eine Begegnung mit karthagischen Schiffen gefaßt sein, deshalb fuhren sie nur noch nachts. Tagsüber legte Kylon sein Schiff in einer versteckten Bucht des Westufers von Sizilien vor Anker. Dort betrachtete Publius den malerischen Ätna, der sein stolzes graues Haupt über die grünen Fluren erhob. Wahrscheinlich konnte man vom Gipfel des Ätna bis nach Karthago sehen. Aber außer dem weisen griechischen Philosophen Empedokles hatte es noch niemand gewagt, den Ätna zu erklimmen. Oben angelangt, hatte sich Empedokles in den feurigen Krater gestürzt, um seinen Verfolgern zu entrinnen, und am nächsten Tage, so erzählte man sich, hätte der Ätna dann seine Sandalen wieder ausgespien.
Bei den Aegatischen Inseln wurde das Schiff von einem Wachboot der Karthager gestellt. Kylon befahl, die Segel zu bergen. „Was für Fracht hast du?" fragte der dicke karthagische Kapitän, als die Schiffe Bord an Bord lagen.
„Friede sei mit dir, guter Mann!" gab Kylon zur Antwort. „Ich freue mich aufrichtig, einem Manne wie dir mitten auf dem weiten Meer zu begegnen. Manchmal
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