Die Elefanten Hannibals
antwortete Gnaeus Naevius. „In ihr wird sich das Leben Capuas, Roms und Karthagos widerspiegeln. Ja, ich werde nicht versäumen, von den kampanischen Rosen zu berichten, die dir beim Einzug gestreut wurden, aber ich werde auch den Mann erwähnen, den deine Krieger in den Kerker warfen, während du beim Gastmahl saßest!"
„Das war ein Verrückter!" rief Pacuvius entsetzt. „Er hatte seine Mitbürger offen aufgefordert, Capuas Tore Vor Hannibal zu verschließen."
„Siehst du!" sagte Hannibal gelassen. „In ganz Capua gab es nur einen einzigen Menschen, der mich und mein Heer nicht begrüßte. Und das war ein Verrückter. Ihn willst du in deinem Poem erwähnen? Ist das gerecht?"
„Wir haben ein Sprichwort", murmelte Gnaeus Naevius. „Es lautet: Die Wahrheit muß oft leiden, aber sie stirbt nie."
Hannibal schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ach, ich verstehe! Auch du hast im Kerker gesessen, und deshalb hast du Mitleid mit diesem Manne! Gut, dann verspreche ich dir, ihm die Freiheit zu schenken, vorausgesetzt, daß er seine Schuld öffentlich bereut." Er blickte zu Pacuvius hinüber. „Und jetzt zeige mir eure Stadt. Was ist am sehenswertesten?"
„Das Amphitheater!" erwiderten Pacuvius und Gnaeus Naevius wie aus einem Munde.
Das Amphitheater war ein gewaltiger Bau von der Form einer runden Schale, deren Seitenwände aus den Zuschauerreihen bestanden. In der Mitte befand sich die mit weißem Sand bestreute Arena. Hannibal wurde in die erste Reihe geführt, auf den Ehrenplatz, wo die ausländischen Gesandten und capuanischen Senatoren zu sitzen pflegten.
Die Zuschauer erhoben sich und begrüßten den Verbündeten Capuas mit lautem Beifall. Dann wurde es still. In die Arena kamen zwei Kampfgruppen, die aus je dreißig Gladiatoren bestanden. Die eine Gruppe trug silberbeschlagene Schilde und weiße Kleidung, die andere goldbeschlagene Schilde und rote Kleidung. Die Federbüsche auf ihren Helmen wippten wie Zaubervögel.
Sie marschierten einmal rund um die Arena, stellten sich dann vor Hannibal auf und riefen einige Worte.
„Die Gladiatoren sagen: ,Die Todgeweihten grüßen dich!' Das ist bei ihnen üblich!" erklärte Pacuvius dem karthagischen Feldherrn.
Den Gladiatoren wurden die Waffen ausgehändigt, ein Trompetensignal erklang, und sie stürzten sich aufeinander. Ihre Schwerter sausten wie Blitze durch die Luft. In ihr Kampfgeschrei mischten sich die anfeuernden Rufe der Zuschauer.
Rings um die Arena standen Bedienstete mit Peitschen und Eisenstäben, bereit, jeden Gladiator zu verprügeln, der sich vor dem Kampf drücken wollte.
Nach erbittertem Handgemenge siegten die Gladiatoren mit den Goldschilden. Aber nur sechs von ihnen waren am Leben geblieben. Die Zuschauer applaudierten.
Nachdem die Sieger die Arena verlassen hatten, wurden die Toten hinausgebracht. Mehrere Sklaven harkten die Spuren des blutigen Kampfes weg.
„Halten sich auch die Römer Gladiatoren?" erkundigte sich Hannibal bei Pacuvius.
„Selbstverständlich! Nur haben sie zur Zeit andere Sorgen."
In die Arena kamen jetzt zwei Kämpfer, die Helme mit heruntergelassenem Visier trugen. Der eine hatte einen ebenholzschwarzen Körper, der andere eine weiße Haut.
„Der Äthiopier und der Gallier!" riefen die Zuschauer.
Nach ihrem Freudengeschrei zu urteilen, waren ihnen beide Gladiatoren genau bekannt. Aber sie kämpften nur lässig.
„Peitscht sie!" schrien die Zuschauer erbost.
Die Bediensteten gehorchten. Ihre Peitschen hinterließen auf den Rücken der Gladiatoren lange blutige Spuren.
Hannibal mußte an den Zweikampf denken, den er nach dem Alpenübergang vor seinem Heer veranstaltet hatte. Damals hatten die Kämpfer sich mit mehr Leidenschaft geschlagen, obgleich sie nicht mit Peitschenhieben angetrieben wurden.
„Und was erhält der Sieger?" fragte er Pacuvius.
Der Capuaner begriff nicht. „Du willst wissen, was der Besitzer der Gladiatorenschule erhält?" fragte er zurück.
„Nein, mich interessiert, welche Belohnung der Gladiator erhält, der als Sieger aus diesem Zweikampf hervorgeht."
Der Capuaner lachte. „Vielleicht werden ihm bei seinem nächsten Vergehen die Rutenstreiche erlassen, oder man setzt ihm ein üppiges Festmahl vor."
„Jetzt begreife ich, weshalb sie so lustlos kämpfen", meinte Hannibal.
„Wenn der Sieger die Freiheit erhielte, wären die Leute mit den Peitschen überflüssig."
„Aber ein guter Gladiator ist ein Vermögen wert", wandte Pacuvius ein. „Der
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