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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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erstenmal.
    „Woher kennst du mich?" fragte er.
    „Magon gleicht seinem Bruder", antwortete der Unbekannte ausweichend.
    „Hast du unter Hannibal gedient? Aber weshalb erinnere ich mich nicht an dein Gesicht?"
    „Weil ich deinen Bruder kennenlernte, als dein Vater noch lebte und
    Hannibal noch kein Heer besaß. Ich heiße Masinissa."
    Magon schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Mein Bruder spricht häufig von dir. Er hat mir aufgetragen, nach dir zu suchen. Aber in ganz Karthago konnte mir niemand sagen, wo du dich aufhältst. Es hieß, du seist verschwunden."
    „Wo ich war, weiß nur Merges."
    Bei seinem Namen wandte das Pferd den schönen Kopf mit den klugen Augen nach seinem Herrn, und als Masinissa ihm die Hand auf den Hals legte, trat es in freudiger Ungeduld von einem Fuß auf den anderen. 
    „Aber Merges kann nicht reden", fuhr Masinissa fort. „Wenn er auch die Menschen besser versteht als ich. Afrika ist groß. Noch kein Sterblicher hat seine Grenzen ausgemessen. Ich und Merges lebten dort, wohin bisher noch kein numidisches Pferd die Hufe setzte. Wir waren im Lande der Berge, wo die Felsen bedeckt sind mit den Bildern von jenen Menschen, die dort in grauer Vorzeit mit Jagdwagen, mit Speeren und Pfeilen auf Gazellen und Nashörner Jagd machten. Wir streiften durch unwegsame Wälder. Über unseren Köpfen funkelten fremde Sterne, die bisher noch kein Mensch des Mittelmeeres erblickte." 
    „Du hast unrecht, Masinissa. In jenem Lande, wo die fremden Sterne funkeln, weilte schon vor dreihundert Jahren Hanno, der Seefahrer." 
    Bei dem Namen Hanno fuhr Masinissa zusammen. 
    „Von diesem Hanno hörte ich noch nicht", erwiderte er dumpf. „Aber ich kenne einen anderen Hanno. Seinetwegen blieb ich fünf Jahre lang der Heimat fern. Jetzt bin ich nach Karthago zurückgekehrt, weil ich seine Tochter nicht vergessen kann." 
    „Weiß Hanno, daß du in Karthago bist?"
    „Diesmal hat er mich nicht hinausgeworfen wie vor fünf Jahren. Er gestattete mir sogar, sie wiederzusehen."
    „Meinen Glückwunsch, Masinissa! Ich freue mich, daß du dein Glück errungen hast. Falls ich noch länger in Karthago bleibe, will ich bei deiner Hochzeit zu Gast sein."
    „Bei meiner Hochzeit", wiederholte Masinissa traurig. „Es ist noch zu früh, von Hochzeit zu sprechen. Hanno hat mir eine Bedingung gestellt. Ach, hätte er das doch vor fünf Jahren getan! Dann würde ich Hannibals ganzen Feldzug mitgemacht haben." 
    „Und wie lautet die Bedingung?"
    „Hanno sagt, daß seine Tochter ihm zu schade zur Heirat mit einem Unbekannten sei. Er will mich nur dann mit ihr vermählen, wenn ich König oder ein berühmter Kriegsheld geworden bin. Bringe mich deshalb zu Hannibal. Das war seit jeher der Wunsch meines Vaters. Er wird sich freuen, wenn er erfährt, daß ich ein Krieger geworden bin. Möge er noch hundert Jahre leben! Ich will mein Glück nicht seinem Tode verdanken, sondern nur mir selbst!"
    „Dein Entschluß ist richtig. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis ich zu Hannibal zurückkehre. Ich habe den Befehl, mich nach Iberien zu begeben, wo mein Bruder Hasdrubal gegen die Römer kämpft, ihm beizustehen und dort ein Heer aufzustellen. Wenn du willst, mache ich dich zum Kommandeur der Reiterei. Mit diesem Heer wollen wir über die Pyrenäen und die Alpen nach Italien ziehen." 
    Masinissa nickte zustimmend.
     
     
Abschied
     
    Offenbar hatte Masinissa einen langen Ritt hinter sich. Sein Umhang war staubbedeckt, sein Pferd glänzte vor Schweiß. Aber seine Augen strahlten Sophonisbe an. 
    Sie streichelte Merges den Hals. 
    „Vorsicht, daß er dich nicht beißt, er ist wild", sagte Masinissa hastig. Aber das Pferd stand unbeweglich, schielte Sophonisbe nur von der Seite an und schnaubte.
    Sie lachte. Der verblüffte und etwas erschrockene Ausdruck in Merges' Augen erinnerte sie an ihre erste Begegnung mit Masinissa vor dem Tempel der Tanit. Er hatte damals ein ähnliches Gesicht gemacht, so als wäre nicht sie, Sophonisbe, sondern die Göttin selbst aus dem Tempel getreten. Und wie komisch er sich bei dem Streit mit dem Vater benommen hatte, dieser Jüngling mit dem langen Namen, der wie der Schrei eines Steppenvogels klang.
    „Merges hat keine Angst vor dir", Masinissa strich dem Tier über die Mähne. „Er merkt, daß ich dein Freund bin. Dort aber" - er wies auf Hannos Palast - „weiß man das nicht. Dort glaubt man, ich würde dir etwas zuleide tun, und will, daß ich auf dich warten und erst

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