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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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wieder im Wasser, und bis seine Verfolger erkannt hatten, daß sie ihn nur schwimmend einholen konnten, und anfingen, sich die Sandalen abzustreifen, hatte er das gegenüberliegende Ufer erreicht und war im Schilf verschwunden.
    „Entwischt!" schrie der dicke Kapitän wütend.
    „Was ist dir zugestoßen, Kylon?" erkundigte sich Publius und musterte erstaunt die zerfetzten Kleider und blutigen Füße des Griechen, als sich dieser bei ihm meldete. „Wo ist dein Schiff?"
    Kylon seufzte. „Mein Schiff ist futsch. Und bloß deshalb, weil ich das Öl verkauft habe, anstatt mich damit einzusalben, denn dann wäre ich unbemerkt aus Neu-Karthago entwischt." Und er berichtete Publius, wie es ihm ergangen war, einschließlich der rettenden Tatsache, daß er mitten im Meerbusen auf eine Sandbank gestoßen war.
    „Das war die Ebbe", sagte Publius. „Sie hat dich gerettet. Um wieviel Uhr war das?"
    „Um zwei Uhr mittags."
    Publius machte ein nachdenkliches Gesicht. 
     
     
Der Traum des Publius
     
    Von der Anhöhe aus konnte man Neu-Karthago übersehen. Es lag auf einer schmalen Halbinsel, die in den Meerbusen vorstieß. Die Morgensonne vergoldete die stattlichen Gebäude und quadratischen Wachtürme. Die flachen Ziegeldächer wurden überragt von einem kostbaren Palast. Hier war Hamilkars Neffe einst bei seiner Hochzeit mit der iberischen Prinzessin ermordet worden.
    „Schaut auf diese Stadt!" sagte Publius Scipio zu den angetretenen Legionären. „Hierher bringen die Karthager alles Silber aus den iberischen Bergwerken. Hier verwahren sie unermeßliche Reichtümer, die euch, den Siegern, und dem römischen Volk gehören werden. In der Stadt befindet sich zur Zeit kein Heer. Hasdrubal, Hannibals Bruder, hat nur tausend Krieger zurückgelassen. Die allmächtigen Götter werden uns überdies beistehen. Denn in der vergangenen Nacht träumte ich, daß der Meeresgott Neptun mir eine goldene Zackenkrone reichte und mich aufforderte, sie weiterzugeben an jene Tapferen, die die Mauern Neu-Karthagos erstürmen würden."
    Mit angehaltenem Atem hörten die Legionäre zu. Sie glaubten fest an prophetische Träume.
    Hornsignale riefen die römischen Legionäre zum Kampf. Sie legten Sturmleitern an die Mauern Neu-Karthagos und versuchten, daran emporzuklettern. Aber die Mauern waren hoch. Die Verteidiger waren auf der Hut und wehrten die Angriffe mit Steinen und Speeren, mit kochendem Wasser und siedendem Teer ab. Viele Legionäre verloren auf den Sturmleitern den Halt und stürzten in die Tiefe. Ihren Platz nahmen andere ein, aber auch sie erreichten nichts, und manch ein Römer ließ sein Leben. Ein Grabstein in fremder Erde, nicht aber eine goldene Zackenkrone wurde ihm zuteil. Und schließlich wurde zum Rückzug geblasen.
    Nein, der prophetische Traum ihres Feldherrn schien nicht einzutreffen. 
    „Was gehen den Meeresgott Neptun auch die Kämpfe auf dem Festland an!" murrten die Legionäre. „Er ist doch nur für Seeschlachten zuständig!"
    Die belagerten Karthager wußten weder etwas von Publius' Traum noch von seinem Plan. Als sie das Rückzugssignal der Römer hörten, freuten sie sich, weil sie glaubten, die Gefahr wäre vorüber. Für sie war es wichtig, Zeit zu gewinnen und auszuhalten, bis die Verstärkung heran war. Sie hatten inzwischen Boten zu Hasdrubal und den beiden anderen in Iberien befindlichen Armeen gesandt, die ihnen sicherlich auf dem schnellsten Wege zu Hilfe kommen würden.
    Publius hatte die Erstürmung der Stadt von der Landseite aus nur zur Täuschung versucht. Jetzt ließ er seine besten Truppen zum Meerbusen marschieren. Sie begriffen nicht, was sie dort sollten. Aber da merkten sie plötzlich zu ihrem Erstaunen, daß die Fluten vor ihnen zurückwichen und an einigen Stellen sogar der Meeresgrund aus dem Wasser tauchte. Der Gott Neptun trocknete das Meer anscheinend eigens zu dem Zweck aus, daß sie die rückwärtige Stadtmauer trockenen Fußes erreichen konnten. Demnach würde der Traum ihres Feldherrn doch noch in Erfüllung gehen?
    Zuversichtlich wateten die Truppen in den Meerbusen hinein. Ihre Füße versanken in Sand und Schlamm. Sie mußten die Waffen und Sturmleitern hochhalten, damit sie nicht naß wurden, und das war eine übermenschliche Anstrengung, zumal ihnen das Wasser manchmal bis zur Kehle reichte. Dennoch wateten sie unbeirrt weiter, und bald hatten sie die Stadtmauer erreicht, die bei höherem Wasserstand von den Wellen umspült wurde. Sie war niedriger als an der

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