Die Elefanten Hannibals
Reiter galoppierte auf seinem Schimmel so eilig vorüber, als hinge von der Schnelligkeit des Galopps sein Leben ab.
Es war Masinissa, und er war auf dem Weg nach Karthago, denn erst heute hatte er die Wahrheit erfahren, obgleich Magon und Hasdrubal sie schon lange kannten: Hanno hatte seine Tochter mit Syphax verheiratet.
Der Kurier
Als Publius Scipio Neu-Karthago eroberte, befand sich Kylon auf der Reise nach Rom. Publius hatte ihn großzügig entlohnt und ihm eine Anweisung auf fünftausend Sesterzen an den neapolitanischen Geldwechsler Skintius übergeben. Kylon kannte Skintius' Kneipe genau; sie lag am Marktplatz.
Kylon malte sich schon aus, wie Skintius ihn ins Hinterzimmer der Kneipe führen und die Geldanweisung mit dem Abdruck des Siegelringes von Publius Scipio von allen Seiten prüfen würde. Schließlich erhielt er nicht alle Tage eine Anweisung auf eine so hohe Summe. Und während Skintius das Geld hervorholte und abzählte, würde er, Kylon, wortlos und mit würdevollem Gesicht danebensitzen. Ja, er würde schweigen wie ein Toter oder höchstens über Nebensächlichkeiten reden, über das Wetter zum Beispiel. „Was ist mit dir los, Kylon?" würde Skintius verwundert fragen. „Beim letztenmal, als ich dir die zweihundert Sesterzen auszahlte, hast du mir deine Abenteuer so haarklein berichtet, daß ich glaubte, selber nach Afrika gesegelt zu sein. Jetzt dagegen bist du dermaßen wortkarg, als hättest du eine Erbschaft gemacht oder wärest in den Senat gewählt worden!" Doch auch darauf würde Kylon nicht antworten, trotz seines Bedürfnisses, dem Geldwechsler von seinem Ölhandel in Neu-Karthago, von seiner wunderbaren Rettung und von der Großzügigkeit des jungen Feldherrn zu erzählen, der ihm das Geld für das verlorengegangene Schiff aus seiner Privatkasse ersetzt hatte. Publius hatte ihn nämlich schwören lassen, keiner Menschenseele zu verraten, daß er in Neu-Karthago gewesen wäre. „Da hast du noch hundert Sesterzen für dein Schweigen!" hatte er gesagt. Dieses Geld klirrte jetzt in Kylons Geldbeutel und erinnerte ihn an seinen Eid. Und wenn er für sein Schweigen jedesmal soviel Geld erhielte, würde er stumm werden wie ein Fisch und sich nur noch durch Zeichen verständigen. Und überhaupt - mit wem sollte ich mich auf See unterhalten? Etwa mit den Rudersklaven, die nur die pfeifende Sprache der Peitsche verstehen?
Die Zeit verging. Schon drei Tage lang segelte das Schiff übers Meer. Kylon hielt den Mund und verschloß seine Freude in sich. Er kam sich vor wie jener Barbier, der das Geheimnis des Königs Midas kannte und von diesem unter Todesdrohungen gezwungen worden war, es keinem Menschen zu verraten. König Midas hatte nämlich bei einem Sangeswettstreit der Götter den Schiedsrichter spielen müssen und den Gott Apollo zum Verlierer erklärt. Aus Ärger darüber hatte Apollo ihm Eselsohren verliehen, die der Barbier zu Gesicht bekam, als er dem König das Haar stutzte. Immerhin fand der Barbier in seiner Not einen Ausweg. Er grub ein tiefes Loch in die Erde, steckte den Kopf hinein, vertraute der Mutter Erde sein Geheimnis an und erleichterte sich auf diese Weise. Später wurde das Geheimnis trotz aller Vorsichtsmaßregeln dadurch in der ganzen Welt bekannt, daß über jenem Loche Röhricht wuchs und mit menschlicher Stimme in seinem Rauschen rief: „König Midas hat Eselsohren! König Midas hat Eselsohren!"
Aber hier kann ich sowieso kein Loch in die Erde graben, weil es keine Erde gibt, dachte Kylon seufzend. Und diesem verdächtigen iberischen Schiffer, der mich für einen sündhaft hohen Preis an Bord genommen hat, werde ich mich auf keinen Fall anvertrauen. Natürlich hätte ich mit der Heimfahrt warten können, bis mich ein römisches Kriegsschiff mitgenommen hätte, das wäre sicherer gewesen, aber ich will doch so schnell wie möglich zu meinem Geld kommen. Dafür kaufe ich mir dann Bauholz und Sklaven und baue mir ein neues Schiff. Und wie soll ich es nennen?
Einen glücksbringenden Namen zu finden ist gar nicht so leicht. Vielleicht „Delphin"? oder „Möwe"? Nein, diese Namen waren abgenutzt. Ob er sich vielleicht mit dem Passagier beriet, den er flüchtig beim Einsteigen gesehen hatte? Es war schon so spät gewesen, daß er sein Gesicht nicht erkennen konnte, und in den folgenden Tagen hatte sich der Mann auch nicht an Deck sehen lassen. Ob er seekrank geworden war?
Dann könnte ich ihm drei Mittel gegen diese Krankheit verraten!
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