Die Elefanten Hannibals
Landseite. Ungehindert konnten die Legionäre die Sturmleitern anlegen und hinaufklettern. Oben angelangt, rannten sie nach rechts und links, um die Stadttore zu besetzen. Die Karthager entdeckten sie erst jetzt, aber ihre Zahl war zu gering, um sie aufzuhalten.
Wieder wurden an der Landseite die Sturmleitern angelegt. Auch hier erklommen die Römer die Mauern der Stadt, ohne auf Widerstand zu stoßen. Sie machten die karthagischen Krieger in den Wachtürmen nieder und öffneten die Stadttore. Nun drangen die Legionäre kolonnenweise mit fliegenden Fahnen in die Stadt ein.
Wieder setzte der römische Hornist sein Instrument an den Mund. Er blies das Signal, von dem die Legionäre beim Exerzieren und in den mörderischen Schlachten geträumt hatten. Es bedeutete, daß ihnen alles gestattet war - jede Plünderung, jede Grausamkeit.
Am Abend wurde Neptun ein reiches Dankopfer dargebracht. Die Legionäre waren überzeugt, daß er es gewesen war, der ihnen den Sieg geschenkt hatte. Und während Publius ihnen die Auszeichnungen überreichte - silberbeschlagene Speere für jene, die einen Feind verwundet hatten, kostbare Metallschalen für die Fußsoldaten und silbernes Zaumzeug für die Kavalleristen sprachen sie unaufhörlich über den prophetischen Traum ihres Feldherrn, der wirklich haargenau eingetroffen war, wie er es gesagt hatte.
Und nur ein Mann auf der Welt wußte, daß die Römer ihren Sieg nicht der Gnade des Gottes Neptun zu danken hatten, sondern einer Naturerscheinung, die man Ebbe nennt, und außerdem der Klugheit ihres jungen Feldherrn. Aber der Mann, der das wußte, befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Iberien.
Tränen der Tochter
In Hannos Palast wurde zu einem rauschenden Fest gerüstet. Die Augen der Sklaven, die in dem Riesenhaus treppauf, treppab rannten, waren vor Schlaflosigkeit gerötet. Im Keller, wo die Küche untergebracht war, hörte man Metallteller klappern und den Oberkoch schreien, der die Köche, Küchenfrauen und Kuchenbäcker zur Eile antrieb. Im Stall kläfften und winselten junge Hunde. Damit ihr Fleisch zart und saftig wurde, fütterte man sie schon seit Wochen nur noch mit Milch.
Die großen Festsäle wurden mit grünen Girlanden und Wachsblumen geschmückt, die echten Blumen täuschend ähnlich sahen. An den Marmorsäulen des Innenraums, den Stämmen der Palmen und den Pfeilern der Gartenmauern wurden Fackeln und Öllampen befestigt. Beim Erscheinen des Brautpaares sollten zu süßem Flötenklang alle Lichter angezündet und alle Springbrunnen in Gang gesetzt werden.
Hinter eisernen Türen kramten Sklavinnen unter Hannos Aufsicht in den Truhen, um Sophonisbes Mitgift auszuwählen. Die Truhen enthielten weder Rüstungen noch Waffen, sondern Schätze, die Hanno von seinen unternehmungslustigen Vorfahren - Schiffern und Seeräubern - geerbt hatte: schwere Stoffe, merkwürdig gemusterte Teppiche, Bernsteinketten, Gold- und Silbergeschmeide, phönizische und ägyptische Glasgefäße. All das sollte Hannos Tochter, die künftige Königin der Numidier, erhalten. Wer würde beim Anblick dieser Schätze wagen, Hanno als Geizhals zu bezeichnen? Wenn Sophonisbe das Königsschloß des Syphax in Cirta mit solchen Kostbarkeiten schmückte, würden nach Hannos Meinung die Stimmen der Gegner verstummen.
In den letzten Jahren hatte Hanno im Schatten gestanden. Man erwähnte ihn nur in Verbindung mit seiner hartnäckigen Feindschaft gegen Hannibal und hörte ihn im Großen Rat nur aus Höflichkeit an. Alle seine Anhänger waren von ihm abgefallen, weil Hannibal sie mit Silber bestochen oder durch seine glänzenden Siege beeindruckt hatte. Doch nun wurde Hannos Name wieder mit Achtung genannt. Man erinnerte sich, daß er zu einer Zeit, da fast ganz Karthago Hannibals ehrgeizige Pläne unterstützte, als einziger einen kühlen Kopf bewahrt und seine Landsleute zur Freundschaft mit Rom aufgefordert hatte. Er war auch der einzige gewesen, der verlangt hatte, den unmündigen Hannibal in Karthago zu behalten und zu verhindern, daß er zu einem Krieger erzogen wurde, und ihn später, nach der Einnahme Sagunts, den Römern auszuliefern. Hätten die Karthager damals auf seinen Rat gehört, dann würde sich in den vergangenen Jahren ihr Besitz vermehrt haben, dann hätten sie ihren Staatsschatz nicht für Elefanten und Söldner ausgeben müssen, dann besäßen sie noch ihre überseeischen Besitzungen und brauchten nun nicht von Stunde zu Stunde auf einen Angriff der Römer
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