Die Elefanten Hannibals
Gefahr begeben hatte. Hanno hatte versucht, beide Numidier-Könige zu Karthagos Bundesgenossen zu machen und geglaubt, daß Gula die Verheiratung Sophonisbes mit Syphax nicht übelnehmen würde. Er war doch stets dagegen gewesen, daß sein Sohn dieses Mädchen zur Frau nahm. Aber nun war Gula tot.
Schon vor zwanzig Jahren hatte mein Vater mit diesem Tod gerechnet und deshalb versucht, Masinissa an uns zu binden, dachte Hannibal. Doch Hanno machte all unsere Bemühungen zunichte. Er versprach Masinissa die Tochter unter der Bedingung, daß dieser Kriegsruhm erwürbe, in Wirklichkeit aber nur, um den jungen Numidier aus Karthago zu entfernen. Vermutlich nahm er an, daß Masinissa bei den Kämpfen in Iberien ums Leben kommen würde. Doch Hanno hat sich getäuscht, Masinissa ist nach Afrika zurückgekehrt, hat den väterlichen Thron mit Waffengewalt erobert und uns den Krieg erklärt. Publius Scipio erhielt einen mächtigen Verbündeten.
Hannibal blickte seinem Bruder eindringlich in die Augen.
„Jetzt sind wir nur noch zwei", sagte er dumpf. „Wie sehr wünschte ich, daß du für immer bei mir bleiben könntest. Aber es ist unmöglich, diesen Auftrag einem anderen zu geben."
„Ich höre, Hannibal", sagte Magon kurz.
Das war die übliche Antwort des Kriegers auf einen Befehl seines Vorgesetzten. Aber aus der bewußten Knappheit, aus der Festigkeit der Stimme klang Magons Wunsch, den Bruder zu beruhigen und ihm zu beweisen, daß sein Glaube an den Sieg auch in diesen schweren Tagen unerschütterlich war.
„Du mußt nach Norditalien", sagte Hannibal. „Ich gebe dir Dukarion und alle Gallier mit. Jetzt kann uns nur noch ein Aufstand gegen Rom im Norden des Landes retten. Du erhältst auch alle Schiffe."
„Und du?" Fragend sah Magon den Bruder an. „Was willst du ohne Schiffe anfangen, wenn die Römer kommen? Außerdem kann ich dir doch nicht alle Gallier nehmen! Aus Afrika erhältst du keinen einzigen Krieger!"
„Die Römer kommen nicht. Sie haben noch immer Angst vor dem Schatten jenes Hannibal, der am Trasimenischen See und bei Cannae siegte. Nur Publius Scipio würde sich mir zur Schlacht stellen. Doch jetzt, da uns Masinissa verraten hat, wird er sich unverzüglich nach Afrika einschiffen. Ich könnte bei Melkart schwören, daß er schon unterwegs ist!"
Die Taube der Aphrodite
Publius Scipio ging zwischen den marmornen Zuschauerbänken hindurch. In wenigen Augenblicken würde eine Aufführung der „Antigone" beginnen, und viele Einwohner der sizilianischen Stadt Lilybaeum waren herbeigeströmt, um dieses berühmte Theaterstück des griechischen Tragödiendichters Sophokles zu sehen. Antigone war der Sage nach eine der beiden Töchter des unglücklichen Königs Ödipus, der durch die tragischen Verstrickungen des Schicksals unwissentlich seinen Vater tötete und später ebenso unwissentlich seine eigene Mutter heiratete. Als er dann von seinen eigenen Freveltaten Kenntnis erlangte, stach er sich selber die Augen aus und verließ sein Land. Von Mitleid erfüllt, begleitete Antigone ihren unglücklichen Vater in die Fremde, teilte mit ihm alle Mühsal und Not der Verbannung und kehrte erst nach seinem Tode in die Heimat zurück. Aber auch hier fand die gütige Jungfrau keinen Frieden. Sie mußte mit ansehen, daß sich ihre beiden Brüder im Kampf um die Herrschaft gegenseitig ermordeten und daß ihr Oheim den Leichnam des einen, der Polyneikes hieß, unbestattet auf dem Felde liegenließ, den Raubvögeln und Hunden zum Fraße, zur Strafe dafür, daß er fremdes Kriegsvolk ins Land geführt und seine Vaterstadt bedroht hatte. Kreon, der Oheim von Antigone, verbot bei Todesstrafe, Polyneikes zu begraben, aber Antigone mißachtete das Verbot, ging hin, bedeckte seine Leiche mit trockener Erde und goß aus einem Kruge die Totenspende über ihn aus, wie es die alte Sitte forderte. Das erfuhr Kreon, und der Grausame ließ sie zur Strafe lebendig in ein unterirdisches Gewölbe einmauern, wo sie den Tod fand.
„Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da!" Dieses Wort, das Sophokles der Antigone in den Mund legte, sollte die Jahrhunderte überdauern.
Und auch Publius Scipio hörte es in tiefer Erschütterung.
In der Pause ließ er nachdenklich seinen Blick über die Zuschauerreihen gleiten. Ja, zwischen den Bürgern der Stadt saßen viele römische Legionäre. Sie waren seinem Beispiel gefolgt und nutzten die Atempause zwischen den Schlachten, um sich an der Kunst zu erfreuen.
Ihm
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