Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
war nämlich die zweite Frage aus dem Replikantentest von Blade Runner. Es ist nämlich so, dass künstliche Menschen mit solchen Fragen durcheinander kommen. Ich meine, wo es nicht um Rechenaufgaben geht, sondern nur darum, was man so fühlt. Wenn man gekochten Hund isst oder so, Eeeeekkk, Ackckackckackckackckackackackackack.
Künstliche Menschen haben ja so einen Supercomputer im Kopf, aber solche Sachen kann man eben nicht ausrechnen und deshalb drehen sie dann durch. Aber zuerst leuchten ihre Augen dann ganz hell auf, weil ihr Computer rechnet wie bekloppt. Weil die Replikanten aber so teuer sind, haben sie eine Notaus-Funktion und schalten sich ab, bevor sie durchschmoren.
Einer der Befragten hat sich bei dieser Frage von Harrison Ford selber ausgeschaltet. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass meine Eltern sich am Küchentisch selber ausschalten und dann aus den Ohren rauchen, weil ihre Schaltkreise durchschmoren. Das wäre auch superblöd, weil ich dann das Geschirr hätte spülen müssen.
Aber ich habe geschaut, ob die Augen bei meinem Vater aufleuchten. Aber mein Vater ist nur aufgestanden, und hat sich ein Bier aus dem Kühlschrank geholt.
Mein Vater holte das Bier, setzte sich und bevor ich die nächste Frage stellen konnte um sicher zu gehen, legte mir mein Vater die Hand auf den Arm. Die dritte Frage wäre die mit der Schildkröte gewesen, die man in der sengenden Wüste findet und die auf dem Rücken liegt und sich von selber nicht umdrehen kann.
„Warum helfen sie nicht?“
Das ist ziemlich gemein, eine Schildkröte in der Wüste liegen zu lassen.
„Was sind das denn für Fragen? Was ist das? Wo hast Du das her?“
„Das ist die dritte Frage aus dem Replikantentest von Blade Runner.“
„Aha. Sind wir?“
„Nein.“
„Wir haben bestanden?“
„Ja.“
„Obwohl wir nichts geantwortet haben?“
„Das ist ja der Trick. Jeder meint, er muss was Schlaues antworten. Aber es geht nur darum, ob deine Augen leuchten, wenn du zum Beispiel die Schildkröte in der Wüste nicht umdrehst.“
Ich war richtig zufrieden mit mir. Meine Eltern hatten den Replikantentest bestanden und es bestand keine Gefahr, dass sie sich plötzlich von selber ausschalteten und mit rauchenden Ohren am Küchentisch saßen. Meine Eltern wirkten aber unzufrieden. Und ich glaube nicht einmal wegen Hr. Eberhardt, sondern wegen mir. Obwohl sie den Replikantentest bestanden hatten und eigentlich fröhlich sein müssten. Mein Vater hat einen kräftigen Schluck von seinem Bier getrunken und dann haben sie sich so komisch angesehen. Meine Mutter hat ständig auf ihrer Lippe rumgekaut und das Gesicht verzogen.
Ich glaube, meine Eltern denken, dass ich einen kompletten Dachschaden habe, seit mein Bruder Phillipp gestorben ist. Und dass sie nichts dagegen tun können. Und dass es trotz Psychodoktor eigentlich immer schlimmer als besser wird. Den Dachschaden habe ich aber gar nicht. Aber Phillipp fehlt mir. Eigentlich immer. Er ist doch mein großer Bruder, den ich alles fragen könnte. Obwohl er nicht mehr da ist, ist er so wichtig für mich wie Mona. Sogar noch wichtiger. Ich habe ihm natürlich alles erzählt, die Geschichte mit dem Krankenhaus und dass sie mich durch den Reaktor der Nostromo geschoben haben und ich geträumt habe, dass ich ihn wieder sehe. Das habe ich noch gar nicht gesagt. Es ist mein Geheimnis. Aber ich stelle mir ungefähr hunderttausendmal am Tag vor, wie ein Mann mit einem großen Schnurrbart und Zylinder unsere Zirkuskarten abreißt, wir dann als Erste in das Zelt laufen, damit wir die besten Plätze haben und dann die Elefanten hereinkommen und Phillipp „Hurra“ schreit und klatscht. Das wäre das Allerschönste. Das ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann. Aber das wird nie sein. Ich bin nicht blöd. Ich weiß, dass ich nie mit Phillipp zu den Elefanten gehen werde.
Das erzähle ich natürlich niemandem, denn sonst schleifen sie mich wieder zu Frau Dr. Müller-Nöllendorf. Und die stellt mir dann so komische Fragen und horcht mich aus. Sie möchte dann bestimmt, dass ich ihr alles von den Elefanten erzähle. Aber das tue ich nicht. Ich werde unser Geheimnis nie jemandem erzählen. Das habe ich Phillipp versprochen. Frau Dr. Müller-Nöllendorf kann mir so viele Asterix schenken, wie sie will, das erzähle ich ihr nicht. Denn sie will bestimmt, dass ich aufhöre, an unseren Zirkusbesuch zu denken. Und wahrscheinlich bequasselt sie dann meine Eltern, dass sie die Zirkuskarten suchen und
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