Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Ackckackckackckackckackackackackack.
Mein Vater hätte einfach gesagt:
„Der Laden läuft Scheiße.“
Dann schaut meine Mutter immer ganz wild. Deshalb sagt mein Vater immer nur noch:
„Der Laden läuft schschschsch…lecht.“
Aber ich muss dann lachen und er auch, weil wir beide wissen, dass er eigentlich „Scheiße“ gemeint hat. Aber „Scheiße“ sagt man nicht.
„Mein Vater hat gesagt, dass sie mich nur einweisen wollen, um Honorar abzuzocken und die Versicherung zu betrügen. Sie haben nämlich kein Ergebnis.“
Das hat mein Bordcomputer ohne meine Zustimmung ausgespuckt. In Panik schaltet sich immer mein Autopilot ein. Das ist schneller. Wir haben in der Schule in Biologie gelernt, dass das bei ganz vielen Tieren so ist, also muss ich mir um mich deshalb keine Sorgen machen. Dass ich durchdrehe oder unkontrolliert in die Hosen mache oder so. Ich dachte zuerst, mein Biologielehrer verarscht uns und habe Mona ins Ohr geflüstert, dass unser Lehrer einen Dachschaden hat. Deshalb haben wir beide dann auch die ganze Stunde gekichert und mussten zur Strafe nachsitzen. Aber die Sache mit dem Autopilot im Kopf glaube ich ihm jetzt.
„Stellt euch vor, ein Tiger springt aus dem Gebüsch und rennt auf euch zu, um euch zu fressen, was macht ihr da?“
Unser Biologielehrer hatte sich auf Mona und mich eingeschossen, weil wir so viel gekichert haben und Lehrer bei ihren Psychologen lernen, dass man kichernde Kinder am besten mit Fragen bombardiert.
Mona war total überfordert, aber das ist man ja auch, wenn so eine Riesenmieze plötzlich aus dem Gebüsch schnellt. Wenn ich mir vorstelle eine 1000-mal so große Molly würde auf mich zuspringen und mich dann am Arm kratzen, da wäre mein Arm vermutlich gar nicht mehr da.
„Wenn ein Tiger auf mich zuspringt….dann würde ich laut um Hilfe schreien.“
Ackckackckackckackckackackackackack. Monas Antwort war richtig doof. Das ist eine richtige Mädchenantwort.
„Und Du, Hoffmann? Was würdest du tun, wenn plötzlich ein Tiger aus dem Gebüsch springt und auf dich zu rennt, um dich zu fressen.“
„Wenn der Tiger satt ist, würde ich stehen bleiben.“
„Aber das weißt du doch nicht, Herrgott. Ein Tiger, der dir in einem Gebüsch auflauert und auf dich zuspringt, ist nicht satt.“
Plötzlich kam Verenas Piepsstimme von hinten.
„Ich würde weglaufen.“
Das war die richtige Antwort und unser Biologielehrer machte für Verena sofort ein Sternchen in sein Notenbuch.
„Natürlich“, dröhnte er, „bravo Verena“.
„Während Mona und Hoffmann gefressen würden, würde Verena das einzig Richtige tun und davonrennen. Und zwar ohne lange nachzudenken. Ganz unbewusst würde sie das Richtige tun.“
Genau das wollte er damit demonstrieren. Dass es also einen Autopilot im Kopf gibt. Den schmeißt das System automatisch an, wenn es schwierig ist. Ich habe mir das immer so vorgestellt wie bei einer Autofähre, wenn der Kapitän wegen der hohen Wellen ausfällt und über die Reling kotzt. Dann kommt der Autopilot und fährt die Fähre sicher in den Hafen. Aber ganz stimmt das nicht. Monas Mutter sagte nämlich, dass sie mal mit einer Fähre in Griechenland gefahren sind, und die hatte ganz bestimmt keinen Autopilot. Ackckackckackckackckackackackackack.
Weil ich solche Panik hatte, dass sich meine Mutter von Frau Dr. Müller-Nöllendorf irre machen ließ und einknickte und sie mich dann in das Mafia-Krankenhaus einwiesen, war jetzt mein Autopilot angesprungen.
Frau Dr. Müller-Nöllendorf wankte zurück wie so ein angeschossener Grizzlybär und stieß dann an den Kasten. TAPS TAPS TAPS BONK.
Meine Mutter brauchte einige Sekunden. Aber bei ihr sprang kein Autopilot an. Sie stand auf und legte Frau Dr. Müller-Nöllendorf eine Hand auf die Schulter und entschuldigte sich für mich. Einen Moment habe ich gezweifelt, ob die Sache mit dem Autopiloten wirklich so astrein ist. Aber dann sprang der von Frau Dr. Müller-Nöllendorf an und warf uns hinaus. Da wusste ich, dass mein Biologielehrer mit seinem Autopiloten absolut recht hatte.
Am Abend erzählte meine Mutter alles meinem Vater. Sie hoffte wahrscheinlich, dass er mit mir schimpfen würde, weil ich die Psychologin beleidigt hatte. Meine Mutter sagte wirklich:
„Du hast Frau Dr. Müller-Nöllendorf beleidigt.“
Habe ich nicht. Ich habe mir nur die Stimme meines Vaters ausgeliehen. Deshalb war er auch nicht böse mit mir. Aber mit meiner Mutter war er böse. Er hat mit ihr geschimpft, weil sie
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