Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
auch nur Ihre Arbeit.“
„Ja“, erwidert mein Vater dann, „aber sie machen ihre Arbeit verdammt schlecht!“
Als mein Vater sie zusammenstauchte machte Frau Dr. Müller-Nöllendorf ein Gesicht, als ob sie ihn gleich zehn Jahre therapieren wollte. Dann hat sie kurz ganz angewidert von meinem Vater zu mir geschaut mit diesem „Kein-Wunder-dass-du-so-gaga-bist“-Blick.
Aber sie hat mir zwei Asterix geschenkt. Dass ich das zweite schon hatte, konnte sie ja nicht wissen. Vielleicht richte ich auch ein Punktekonto für Frau Dr. Müller-Nöllendorf ein, so wie ich eines habe. Sie bekommt dann zwar keine Punkte dafür, dass sie nicht um die Säule an der Tiefgarage rennt. Aber für andere Sachen. Mona hat mir einmal erzählt, dass bei ihnen im Haus ein Herr wohnt, der irgendwo Manager ist und im Anzug zur Arbeit geht. Am Wochenende mag er aber lieber Kleider und trägt eine Perücke. Wenn Monas Herr Kleider tragen kann, dann kann Frau Dr. Müller-Nöllendorf auch um die Säule an der Tiefgarageneinfahrt rennen. Ich frage sie einfach beim nächsten Mal. Ich frage sie:
„Rennen Sie auch zehnmal um die Säule an der Tiefgarageneinfahrt und dann wieder zurück, bevor Sie ins Auto einsteigen? Ja oder Nein?“
Aber sie wird sowieso nur sagen:
„Das ist eine interessante Frage, wie kommst du denn da drauf?“
Erwachsene machen mich irre, weil man sich nicht vernünftig mit ihnen unterhalten kann.
Irgendwie ging es nicht weiter. Mein Vater wollte ein Ergebnis, das es nicht gab, und die Ärzte wollten mich zur Beobachtung dabehalten, was mein Vater aber nicht wollte und ich schon gar nicht. Ich habe einmal einen Film gesehen, wo in einem ganz netten Krankenhaus plötzlich in der Nacht total fiese Experimente an den Kranken durchgeführt worden sind. Ein paar sind hinterher sogar tot gewesen. Das Krankenhaus gehörte der Mafia und die Mafia-Ärzte haben den Leuten die Leber rausgeschnitten und noch ein paar Sachen und dann verscherbelt. Ich weiß nicht ob ich eine Leber brauche, weil eine Leber braucht man ja in erster Linie nur, wenn man Alkohol trinkt wie Gerd. Aber ich trinke am liebsten Ingwer-Limonade. Trotzdem möchte ich meine Leber behalten. Ich finde solche Filme nur gut, wenn Harrison Ford am Schluss alle Mafia-Leute erschießt und der Klinikdirektor dann ins Gefängnis kommt. Aber der Film war nicht mit Harrison Ford. Deshalb habe ich mir auch den Namen nicht gemerkt, weil ohne Harrison Ford bestimmt alles in einer Katastrophe geendet ist. Und Katastrophenfilme mag ich nicht. So ein Krankenhaus war das auch und ich konnte nicht mit Harrison Ford rechnen. Deshalb habe ich vor Angst auch plötzlich total zu zittern angefangen. Eigentlich war es ein ziemlicher Schüttelfrost, der mich hin und her geworfen hat. Deshalb fragte Frau Dr. Müller-Nöllendorf auch:
„Ist Ihr Sohn schon einmal auf Epilepsie untersucht worden?“
„Er hat keine Epilepsie“, sagte meine Mutter.
Aber jetzt stellte Frau Dr. Müller-Nöllendorf plötzlich selber nur noch geschlossene Fragen, die man nur mit Ja oder Nein beantworten darf.
„Hat er schon einmal einen Anfall wie diesen gehabt?“
„Haben Sie ihn schon einmal auf Epilepsie untersuchen lassen?“
„Hat er sonst schon einmal die Kontrolle über seine Körperfunktionen verloren?“
Bei der letzten Frage starrte sie mich plötzlich an. Sie hatte so einen komischen Gesichtsausdruck und ich sah richtig die Aha-Glühbirne über ihrem Kopf schweben.
Natürlich dachte sie bei der letzten Frage sofort an meinen Pinkel-Unfall und jetzt meinte sie, ich habe einen Hirnschaden. Ich konnte ja jetzt schlecht sagen, dass ich nur ins Bett gemacht habe, damit ich wieder zu Mona darf und eigentlich alles die Idee von Monas Mutter war. Petzen tut man nicht. Und die Erwachsenen glauben sowieso nur, was sie glauben wollen.
Viel wichtiger war, dass sich Frau Dr. Müller-Nöllendorf verraten hatte. Sie kannte den Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Fragen sehr wohl. Bei geschlossenen Fragen darf man nur mit Ja oder Nein antworten.
Was ich total gemein finde ist, dass Frau Dr. Müller-Nöllendorf nur so tut, als wenn sie meine Fragen nicht versteht. Wenn sie das nächste Mal auf eine geschlossene Frage von mir nicht mit Ja oder Nein antwortet, dann sage ich auch nichts mehr. Da kann sie sich dann auf den Kopf stellen. Das sagt man so: da könnt ihr euch auf den Kopf stellen. Das weiß ich von Monas Mutter. Monas Mutter fing nämlich eines Tages an völlig herumzutoben und
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