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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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haben Zeugnis bekommen, aber ich bin nicht durchgefallen und muss die Klasse nicht wiederholen. Kurz vor den Ferien hat mich mein Mathelehrer noch mal geprüft. Ich war mördernervös, weil ich wusste, dass ich durchfalle, wenn ich es vergeige.
    „Hoffmann, na dann wollen wir mal“, hat er plötzlich gesagt. Ich dachte zuerst, ich soll ihm helfen die Tafel zu wischen und bin aufgestanden. Aber dann musste ich vorrechnen und habe mich zuerst ziemlich dusselig angestellt. Aber dann ging es doch so holterdiepolter und ich durfte mich wieder hinsetzen.
    Mein Mathelehrer hat das Gesicht verzogen und den Kopf hin und her gedreht und mit der Zunge geschnalzt.
    „Na dann wollen wir mal nicht so sein“.
    Dann hat er sein Notenbuch zugeklappt und wir sind in die Pause. Ich wollte auch an ihm vorbeiflitzen, aber er hat mich schnell an der Schulter festgehalten.
    „Das war jetzt gar nicht so schlecht, Hoffmann. Du weißt, dass du dieses Jahr in Mathe keine Leuchte warst. Nächstes Jahr muss das besser werden.“
    Ich habe gegrinst und war so erleichtert, dass ich beinahe in die Hosen gemacht hätte. Ich musste nämlich dringend aufs Klo und habe es mir verdrückt. Meine Blase war schon so groß wie einer von den Luftballons auf dem Sommerfest, die Monas Mutter immer an die Kinder verschenkt hat. Aber wenn mir das passiert wäre, dann hätte er mich bestimmt doch durchfallen lassen. Aber dann wäre er schuld, und nicht ich, weil er mich mit meiner prallen Blase aufgehalten hat.
    Die Sommerferien sind für mich die schönste Zeit des Jahres. Außer am 14. August. Da ist Phillipp gestorben. Am 14. August gehe ich mit Mona zu den Elefanten in den Zoo. Ich war schon einen Tag vorher total aufgeregt, aber ich rede mit keinem darüber. Normal rede ich immer über alles. Aber darüber nicht. Nicht einmal mit Mona. Mit meinen Eltern auch nicht. Und mit Frau Dr. Käfer schon gar nicht. Obwohl sie eigentlich ganz nett ist. Mit Mona muss ich auch nicht darüber reden. Wir treffen uns einfach am 14. August. Wir sagen, dass wir ins Schwimmbad gehen oder andere Kinder besuchen oder so. Dann steigen wir aber ohne ein Wort in die andere U-Bahn und fahren zum Zoo.
    Sobald wir um die Ecke biegen und ich die Elefanten sehe, höre ich die Zirkusmusik. Sie könnten einfach 500-mal in der Arena im Kreis herumtrampeln so wie ich um die Säule an der Garage. Das sieht total lustig aus. Die Elefanten packen einfach mit ihrem Rüssel den Vordermann am Schwanz und traben los. Elefanten sehen ganz oft aus, als ob sie grinsen würden. Phillipp und ich hätten vor Begeisterung geschrien. Und ganz viel Popcorn gegessen. Aber jetzt schreie ich nicht vor Begeisterung, sondern fange einfach irgendwann leise zu heulen an. Normalerweise heulen Jungs mit fast 12 nicht. Aber am Elefantengehege bei Phillipp ist es mir egal. Weil er mir so fehlt. Ich heule einfach. Bis mich Mona vom Gehege wegzieht. Dann fahren wir ins Schwimmbad. Vielleicht muss ich irgendwann am 14. August nicht mehr heulen. Vielleicht wenn ich groß bin. Vielleicht gehe ich auch irgendwann nicht mehr am 14. August zu den Elefanten. Aber ich glaube, dass ich immer hingehen werde.
    Ich habe am Abend unsere Zirkuskarten aus meinem Versteck hinter der Schublade geholt und ganz lange angesehen. Die Kopien sehen schön aus, aber irgendwie auch nicht. Einfach weil es Kopien sind. Vielleicht sehen sie sogar besser aus als die echten Karten, weil sie noch keine Eselsohren haben. Aber ich muss immer daran denken, dass unsere echten Zirkuskarten in Monas Kinderzimmer hinter der Schublade kleben. Das macht mich irre. Ich wäre beinahe aufgesprungen und mit dem Todesstern durch die Wohnung gerast. Aber dann wären bestimmt meine Eltern aufgewacht und hätten gefragt, was los ist. Ich will aber heute nicht sagen, was los ist.
    Morgen gehe ich zu Mona und hole die Originale zurück. Dann kleben wir die Kopien hinter ihre Schublade. Das war ja nur eine Vorsichtsmaßnahme, wenn die Iguanodondame was spitz kriegt und dann meine Eltern irre macht, dass sie mir die Karten wegnehmen. Aber jetzt ist Frau Dr. Müller-Nöllendorf weg. Jetzt ist es nicht mehr gefährlich. Für Frau Dr. Käfer ist es bestimmt OK, wenn ich die Zirkuskarten von mir und Phillipp aufhebe. Deshalb hole ich die echten Karten jetzt wieder zu mir.
    Bis auf den 14. August sind die Sommerferien aber immer super. Meine Mutter hat immer Panik, wenn ich ins Schwimmbad gehe. Nicht, weil sie Angst hat, dass ich ertrinke. Ich kann gar nicht ertrinken,

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