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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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Shakespeare ziemlich vielen Leuten gefallen, nicht nur Engländern. Ich habe meine Mutter gefragt, ob Shakespeare auch von einem Auto überfahren worden ist wie Phillipp, aber sie sagte, dass es damals überhaupt noch gar keine Autos gegeben hat. Autos gibt es erst seit hundert Jahren. Deshalb ist nur Phillipp von einem Auto überfahren worden. Wenn wir also zu Shakespeares Zeiten gelebt hätten, dann wäre mein Bruder Phillipp noch am Leben und könnte jeden Tag bei mir sein. Das ist so verdammt gemein.
    Meine Mutter meinte, ich soll mich bei der Direktorin bedanken, dass wir doch noch beim Theater mitspielen dürfen. Das habe ich auch gemacht. Gleich in der nächsten Pause.
    „Keine Ursache“, sagte sie.
    Dann bin ich blöd rumgestanden. Aber sie ist auch nicht gegangen und ich meinte, dass ich noch irgendwas sagen muss. Aber mir ist nichts eingefallen, außer:
    „Sie haben auch einen Sohn, der so ist wie Carl, oder?“
    Sie hat gar nichts gesagt. Nur: „Ach, Billy.“ Dann hat sie mich an der Schulter genommen und in den Pausenhof hinaus geschoben, damit ich an die frische Luft komme.
    Mona und ich spielen auf dem Sommerfest gar nicht so richtig mit bei dem Stück von Shakespeare. Also wir spielen schon mit, aber wir sagen nichts. Normal ist es ja so, dass es ganz still ist im Theater und die Schauspieler dann stundenlang herumlabern. Deshalb bin ich auch am Tag, nachdem die Direktorin uns gesagt hat, dass wir mitspielen dürfen, total in Panik geraten. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht und im Bett hochgeschnellt.
    Wenn ein Schauspieler sich einen Text nicht merken kann, weil er so lang ist, dann macht das gar nichts. Weil es auf der Bühne eine große Muschel gibt. Und in der Muschel sitzt jemand, der den ganzen Text auch weiß. Wenn man dann den Text vergisst, dann blättert der Zwerg in der Muschel im Textbuch und flüstert einem den richtigen Satz zu.
    Bei unserer Schulbühne gibt es aber so eine Muschel gar nicht. Wenn ich also meinen Text vergesse, dann hilft uns niemand und alle lachen. Das ist völlig bescheuert. Wenn ich aufgeregt bin, kann ich mir gar nichts merken. Und wenn ich mir sage, dass ich mich nicht aufregen muss, dann geht mein Autopilot an und ich drehe völlig durch. Deshalb bin ich zur Beruhigung mit dem Todesstern durch die Wohnung gerast, bis meine Eltern aufgewacht sind.
    Meine Mutter hat nach dem Frühstück Monas Mutter angerufen. Monas Mutter wusste, dass wir gar nichts sprechen müssen. Wir sind nur mit auf der Bühne. Aber auch nicht die ganze Zeit, weil wir sonst im Weg umgehen würden.
    Mona und ich dürfen bei zwei Szenen mitspielen, wo alle maskiert sind. Es ist aber gar kein Faschingsfest, sondern etwas anderes. Ich glaube eine Hochzeit oder sogar zwei Hochzeiten. Die Kostüme sehen aber wirklich aus wie im Fasching, oder die Leute waren früher jeden Tag so komisch angezogen. Oder Shakespeare war auch therapiewürdig. Mona und ich gehören also zu den Hochzeitsgästen und dürfen im Hintergrund ein wenig mit herumtanzen und mit jubeln. Das hörte sich total lustig an. Aber dann wurde es mörderanstrengend.
    Weil wir erst drei Wochen vor der Aufführung zum Theater gekommen sind, mussten wir jeden Tag nach der Schule zur Probe. Und immer alles wiederholen bis zum Umfallen. Wir mussten ganz ruhig sein und durften auch nicht zu laut oder an der falschen Stelle jubeln. Das nervte mich zwar, aber irgendwo verstehe ich es. Denn wenn jeder jubeln würde, wie er lustig ist, wäre es ein ziemliches Chaos. Andererseits heißt das Stück aber auch „Viel Lärm um nichts“. Vielleicht wollte Shakespeare ja nur, dass wir viel Lärm machen.
    Hinterher hat uns mein Vater gesagt, dass die Aufführung ein voller Erfolg war. Es ging alles so schnell wie im Traum. Plötzlich war der Tag da, Monas Mutter hat mich abgeholt. Meine Eltern sind nachgekommen, weil mein Vater noch was erledigen und wir früher da sein mussten. Das heißt das Organisationsteam. Alle, die irgendwas machen auf dem Schulfest, also Limonade verkaufen oder so, sind das Organisationsteam. Mona und ich sind im Organisationsteam, weil wir bei dem Theater helfen und dann am Nachmittag auf der Bühne herumhopsen.
    Monas Mutter war völlig in Panik. So kannte ich sie gar nicht. Aber sie hat hundertmal die Kuchen nachgezählt und auf ihn aufgepasst wie ein Schießhund. Die Direktorin hat eine Ansprache gehalten. Dass sie ganz stolz auf uns ist und dass jetzt jeder sein Bestes geben soll. Mona und ich waren auch

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