Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll

Vom Netzwerk:

weil ich von klein auf schwimmen kann wie ein Fisch. Das hat mir keiner gezeigt. Das kann ich einfach. Vielleicht weil ich so gern im Wasser bin. Mona sagt ich habe ein Delphin-Gen. Meine Mutter hat aber immer Panik, weil ich vergesse mich einzucremen. Wenn ich mit Mona herumrenne, denke ich einfach nicht dran. Manchmal treffen wir auch andere Kinder aus der Schule. Und dann vergesse ich es zweimal. Vor allem wenn wir oft im Wasser sind und der Wind geht. Dann bekomme ich einen Mördersonnenbrand. Weil ich ganz helle Haut habe. Letzten Sommer war es so schlimm, dass wir zum Hautarzt mussten. Die Hautärztin ist total ausgerastet, als sie meinen Rücken gesehen hat und hat meine Mutter total zusammengefaltet.
    Deshalb will meine Mutter, dass ich mich immer schon zuhause eincreme, bevor ich zu Mona und ins Schwimmbad gehe. Aber das geht nicht. Ich bekomme dann eine Lähmung und kann mich nicht mehr bewegen. Wegen der Sonnencreme klebt dann ja immer mein T-Shirt auf meiner Haut. Das stört mich. Dann will ich nicht mehr daran denken. Aber ich denke immer daran, dass das T-Shirt auf meiner Haut klebt und wenn ich mich bewege, dann Hautfetzen abreißt. Deshalb bewege ich mich immer weniger, bis ich wie gelähmt bin. Ich konnte nicht einmal zur Haustüre gehen und habe geschrien. Meine Mutter musste mir die ganze Sonnencreme mit einem frischen Schwamm vom Rücken waschen.
    Deshalb waren wir auch zu spät dran. Mona war schon völlig irre und ist herumgesprungen und Monas Mutter war angepisst. Aber meine Mutter hat sich dann entschuldigt und erzählt, dass sie mir die Sonnencreme wieder vom Rücken schrubben musste, weil ich eine Lähmung hatte.
    Deshalb ist jetzt immer eine von den Müttern dabei, wenn wir ins Schwimmbad gehen, oder kommt nach. Und als erstes sehen sie nach, ob wir richtig eingecremt sind. Wenn Monas Mutter angepisst ist, dann nennt sie mich beim Familiennamen. Sie sagt aber nicht nur „Hoffmann“, wie meine Lehrer, sondern „Monsieur Hoffmann“, weil sie doch so gut französisch kann.
    Sie sagt zum Beispiel:
    „Monsieur Hoffmann, vielleicht kommst du jetzt sofort her, damit ich dir endlich den Rücken eincremen kann.“
    Sie ist aber im Schwimmbad nur manchmal angepisst und nur, wenn sie die falsche Sonnencreme eingepackt hat. Ich kann nämlich nicht jede Sonnencreme verarbeiten. Sonst bekomme ich eine Lähmung oder Panik. Zum Beispiel wenn die Sonnencreme nicht nach Orangen, sondern nach Chemie riecht. Oder wenn die Sonnencreme auf der Haut klebt und nicht einzieht. Oder wenn die Sonnencreme nach dem Baden einen weißen Film auf der Haut macht, dass man aussieht wie eine geschlachtete Gans. Oder wenn die Sonnencreme Insekten anzieht.
    Meine Mutter hat aber eine Sonnencreme gefunden, die das alles nicht macht und ohne Probleme durch meinen Sicherheitscheck kommt. Die ist ziemlich teuer. Deshalb sind die Flaschen ganz klein und mein Vater ziemlich sauer. Aber vielleicht ist er auch gar nicht wegen der teuren Sonnencreme sauer, sondern mal wieder wegen Herrn Eberhardt. Meine Mutter kauft immer gleich zwei Flaschen, eine für uns und eine für Monas Mutter, wenn die auf uns aufpasst. Aber manchmal vergisst Monas Mutter eben die richtige Sonnencreme für mich. Dann darf ich nicht in die Sonne, weil ich nicht eingecremt bin. Im Schatten will ich aber auch nicht bleiben, wenn die anderen Kinder in der Sonne herumhopsen. Aber die andere Sonnencreme von Monas Mutter will ich auch nicht auf meinem Rücken, weil ich sonst durchdrehe und aus der Kurve fliege.
    Das nennt man ein Dilemma. Das haben wir in der Schule gelernt. Ein Dilemma ist, wenn man sich für was entscheiden muss, aber beides Kacke ist. Zum Beispiel wenn wir bei meiner Tante Gisela eingeladen sind und sie fragt:
    „Willst Du lieber Spinat oder Salat?“
    Das esse ich doch beides nicht. Weil es am Boden wächst und voller Tierpipi ist. Damit es kein Dilemma ist, muss meine Tante fragen:
    „Was willst Du?“
    Dann kann ich einfach sagen:
    „Ein Steak mit Pommes“.
    Ein Dilemma ist es nur, wenn meine Tante Gisela vergessen hat ein Steak einzukaufen. Das Dilemma ist also ihre Schuld. Ich habe meine Mutter mal gefragt, ob vergessliche Leute immer Dilemmas haben, aber sie hat gesagt:
    „Hör jetzt auf.“
    Wegen dem Dilemma im Schwimmbad ruft Monas Mutter dann bei uns an. Dann kommt meine Mutter mit dem Fahrrad und der richtigen Sonnencreme und alles ist wieder gut.




22
    Jetzt geht bald das neue Schuljahr an. Mona und ich sind