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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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nicht mehr unsere Nasen an der Scheibe platt drücken müssen. Aber das hatte ich in der ganzen Aufregung mit Phillipp vergessen. Die einzige U-Bahn im Tunnel war aber die von vorhin gewesen, die im Schritt-Tempo an uns vorbei ist. Aber das war eine andere. Jetzt kam eine, die alle drei Minuten an einer anderen Station hält und dort Leute ein und aussteigen lässt. Leute wie meinen Vater, der total angepisst ist, wenn sie erst um 15:57h anstatt pünktlich um 15:53h kommt.
    Auf einmal wurde es windig im Tunnel. Ich war ganz froh, weil es so heiß war wie in einem Backofen. Durch das Herumlaufen war ich total durchgeschwitzt so wie beim Schulsportfest. Ich habe mir den Wind ins Gesicht wehen lassen und dachte, dass ich wahrscheinlich in zehn Minuten wieder ganz trocken bin. Aber dann kam die U-Bahn. Serrano hat mir später mal erklärt, dass der Wind von der Luft kommt, den die U-Bahn im Tunnel vor sich herschiebt. Aber das wusste ich nicht, sonst wäre ich bestimmt weggerannt. Bin ich aber nicht. Und plötzlich stand die U-Bahn vor mir.
    Das ist natürlich nicht so, dass die U-Bahn plötzlich dasteht und dann sagt:
    „Guten Tag, ich bin die U-Bahn, gehst Du bitte auf die Seite“.
    Es hat nur ganz kurz gerumpelt. Dann ist das Licht angegangen, so schnell, wie wenn ich in meinem Kinderzimmer das Licht anschalte. Dann war die U-Bahn vor mir. Sie hat gehupt wie blöd. So laut wie ein Dampfer. Dann stand ich plötzlich an der Tunnelwand und die U-Bahn ist an mir vorbei gezischt. Ich habe nur wegen meinem Jedi-Training bei uns im Gang überlebt. Weil ich mich nämlich bei Gefahr so schnell bewegen kann wie Paul Atreides in „Der Wüstenplanet“. Ich glaube ich bin in einer milliardstel Sekunde vom Gleis an den Tunnelrand gehopst. Dann war die U-Bahn auch sofort wieder weg. So schnell wie ein Fingerschnippen. Wenn man taub ist und zwei Sekunden die Augen zumacht, dann hätte man von der U-Bahn gar nichts mitbekommen.
    Dann dachte ich, dass alles vorbei ist und dass ich einfach wieder weiter gehen kann. Aber das war nicht so. Mein System war aber auch gar nicht im roten Bereich, es war ganz woanders. Eher so wie nach einem Blitzeinschlag. Später hat mir Frau Dr. Käfer mal erzählt, dass ich wahrscheinlich einen Schock gehabt habe. Jedenfalls konnte ich nicht weitergehen, wie damals, als ich gemeint habe, dass ich eine Lähmung habe. Ich habe mich einfach in eine Nische an der Tunnelwand gehockt und habe vor Wut geheult, weil ich so erschöpft war und weil ich ein Eis wollte. Aber ein Eis gab es natürlich keins im Tunnel.
    Vielleicht bin ich sogar eingeschlafen. Aber das weiß ich nicht mehr genau. Aber mittendrin meinte ich, dass ich jetzt schon eine Woche in der Nische sitze und niemand mich findet und dass ich bestimmt verdursten muss. Wenn ich mein Jedi-Training bei uns im Hausgang nicht gemacht hätte, dann wäre ich schon nach drei Tagen verdurstet. Dann würde ich auf das Gleis kippen und die nächste U-Bahn würde mich vor sich her in den nächsten U-Bahnhof schieben. Das wäre total dramatisch. Meine Mutter sagte später mal, dass ich nicht annähernd eine Woche im Tunnel gewesen bin, sondern höchsten zwei Stunden. Weil der U-Bahnfahrer, der mich fast überfahren hat, nämlich sofort in der Zentrale angerufen hat. Das ist dort, wo wir am Vormittag gewesen sind. Wahrscheinlich hat sogar Marlies abgenommen und den U-Bahnfahrer beschwallt. Sie wusste natürlich gleich, dass er mich gesehen hatte. Denn so viele verirrte Jungen mit einem Helm mit einer Lampe haben sich bestimmt an diesem Tag nicht in den Tunnels verlaufen. Dann hat Marlies bestimmt herumgeschrien. Sie schaut nämlich aus wie eine, die ganz wild herumschreien kann. Schon auch wie die Schwester von Frau Dr. Käfer, aber anders. Ihre Mundwinkel gehen nämlich nach unten. Das passiert nur, wenn man 20 Jahre nicht lacht, hat Mona mal gesagt. Und so sieht Marlies auch aus, obwohl sie zu uns immer ganz freundlich war. Das kommt, weil sie auf so viele U-Bahnen mit so vielen Lichtern aufpassen muss.
    Marlies hat bestimmt angeschafft, dass keine U-Bahn mehr in den Tunnel fahren darf, bis ich wieder draußen bin. Es ist auch keine U-Bahn mehr auf der Strecke gekommen. Aber auf einmal kam ein Hund. Ein Schäferhund. Ich habe erst sein Hecheln gehört und Angst bekommen, weil ich gemeint habe, dass eine ganz große Ratte daherkommt. Aber dann war es der Hund. Er hat nur an mir rumgeschnuffelt, hat sich hingehockt und gebellt. Dann hat er gewartet und nach

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