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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Pöll
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Viel heller als normal. Phillipp hat ausgesehen wie ein Engel, als er mich angeschaut hat. Er war ganz traurig. Bestimmt hat er gedacht, dass er jetzt doch bloß aussteigen muss, damit wir endlich zusammen in den Zirkus gehen können. Aber die U-Bahn hat nicht gehalten und ist immer weitergefahren. Ich habe einen Moment die Augen zugemacht, weil ich gedacht habe, dass ich träume. Das sagt mein Vater immer. Manchmal passiert was, das so komisch ist, dass man meint, dass man träumt. Wenn man meint, dass man träumt, dann muss man einfach die Augen zumachen und dann schnell wieder auf. Wenn man geträumt hat, dann ist alles weg. Wenn alles noch da ist, dann hat man nicht geträumt.
    Ich habe die Augen aufgemacht und Phillipp war schon drei Meter von mir weg. Jetzt hat er wieder angefangen zu rufen und zu winken. Da habe ich mich plötzlich von Marlies losgerissen und bin der U-Bahn nachgerannt. Ich habe immer gerufen:
    „Phillipp. Ich habe die Karten noch. Steig aus.“
    Oder so ähnlich. Immer wieder. Phillipp hat auch immer weiter gewunken. Ich kann ziemlich schnell laufen, und war sicher, dass ich ihn einholen kann. Hinter mir hat Marlies geschrien wie am Spieß, aber das war mir total egal. Ich habe nur gedacht, dass ich nicht auf die Erwachsenen hören darf, wenn ich meinen Bruder wiederhaben will. Ich bin wie ein Wiesel der U-Bahn hinterher gerannt. Immer weiter in den Tunnel hinein. Aber nach der Kurve ist der Zug plötzlich wieder ganz schnell geworden. Aber das war mir auch egal. Ich bin einfach weitergerannt. Immer weitergerannt, weil ich gehofft habe, dass ich sie vielleicht an der nächsten Baustelle oder an der nächsten Station einholen werde. Irgendwann haben sich die Gleise verzweigt und ich habe mich links gehalten, weil ich glaube, dass die U-Bahn, die Phillipp genommen hat, die zu unserer Wohnung war.

26
    Ich weiß gar nicht mehr genau, wie lange ich gerannt bin. Solange, bis ich nicht mehr konnte und mir schwindlig geworden ist. Aber es war nirgends eine Baustelle und es kam auch keine Haltestelle. Manchmal verzweigten sich die Gleise aber und manchmal kam von irgendeiner Seite plötzlich ein neues Gleis.
    Es war ganz dunkel. Ich hatte nur das Licht auf meinem Helm und bekam langsam Panik, weil ich Angst hatte, dass die Batterie an meinem Helm vielleicht ausgehen könnte und ich dann hier unten im Dunkeln verhungern müsste. Aber eine Weile würde das Licht noch halten. Deshalb bin ich weitergegangen, aber ich wusste gar nicht, in welche Richtung ich gehen sollte. Vielleicht ging ich auch im Kreis wie Leute, die mit dem Flugzeug in der Wüste abgestürzt sind und dann nach zwei Tagen wieder an dieselbe Stelle kommen. Aber in der Wüste gibt es auch keine Gleise. Das sagte ich mir immer ganz laut vor.
    „In der Wüste gibt es keine Gleise. In der Wüste gibt es keine Gleise.“
    Deshalb konnte ich hier unten auch nicht im Kreis gehen. Aber das beruhigte mich trotzdem nicht. Mich hätte jetzt zum Beispiel Monas Mutter beruhigt, wenn sie mit einer großen Kerze und einem Becher Pistazieneis in der Hand um die Ecke gelatscht wäre. Ich wäre wahrscheinlich sogar mit Haselnuss zufrieden gewesen. Aber es kam niemand. Einmal hat es geraschelt. Ich habe an der Ecke zwei Ratten gesehen. Ginger und Fred. Sie haben Männchen gemacht und mich ganz neugierig angesehen, aber ich bin einfach weitergestolpert.
    Ich hätte auch gerne eine Ratte als Haustier. Dann würde ich ihr Kunststücke beibringen. Zählen und solche Sachen. Oder sogar einfache Rechenaufgaben. Ich weiß zwar nicht, ob das geht, aber versuchen würde ich es. Meine Mutter mag aber keine Ratten. Sie hat gesagt, dass ich von ihr aus gerne einen Leguan oder auch ein Chamäleon haben kann, wenn ich mich drum kümmere, aber eben keine Ratte. Ratten übertragen nämlich Krankheiten, zum Beispiel die Pest. Aber einer meiner Schulkameraden hat auch eine Ratte als Haustier und hat auch noch nicht die Pest. Er wohnt aber in einem Vorort. Vielleicht ist dort die Pest ausgebrochen. In der Zeitung ist aber noch nichts gestanden. Und einen Leguan habe ich ja schon bei Mona. Der gehört mir zwar nicht selber, aber trotzdem.
    Plötzlich ist eine U-Bahn gekommen. Ich meine dafür sind die Tunnels ja da. Sie sind ja bestimmt nicht gebaut worden, damit sich Kinder gut drin verlaufen können. Sondern damit U-Bahnen durchsausen können. Serrano hatte uns ja her geschleift, damit Mona und ich mit ihm eine U-Bahn-Baustelle ansehen können und vor lauter Neugierde

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