Die Elementare von Calderon
sicher, wenn wir still stehen?«
Der Marat wurde noch bleicher und schüttelte den Kopf. »Sie haben auch schon Leute gefunden, die sich nicht bewegt haben. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
Tavi runzelte die Stirn. »Also können sie uns noch auf eine andere Weise wahrnehmen. Geruch, Gehör, irgendetwas.«
Kitai schüttelte langsam den Kopf. »Keine Ahnung. Wir bleiben nie lange genug, um sie genauer zu erforschen.« Er sah sich um und schauderte. »Vorsichtig. Es hat gerufen. Andere werden kommen und nach uns suchen. Im Moment sind die Hüter träge. Aber sie kommen.«
Tavi nickte und musste sich beherrschen, um den Kopf dabei nicht hektisch auf und ab zu bewegen. »Was sollen wir tun?«
Kitai deutete mit dem Kinn auf den uralten Baum, der in der Mitte des Waldes stand. »Wir machen weiter, um ein Urteil zu erlangen, Aleraner.«
»Äh, vielleicht sollten wir darauf verzichten.«
» Ich mache weiter, Aleraner. Wenn du zu viel Angst hast, bleib doch hier.« Er verzog die Lippen zu einem höhnischen Lächeln. »Das würde ich jedenfalls von einem Kind erwarten.«
»Ich bin kein Kind«, zischte Tavi wütend. »Ich bin älter als du. Wie viel Jahre zählst du? Zwölf? Dreizehn?«
Kitai starrte ihn böse an. »Fünfzehn«, gab er zurück.
Nun musterte Tavi den anderen Jungen kurz und begann zu grinsen. Und er musste sich arg zusammenreißen, um nicht laut zu lachen.
Die Miene des Marat wurde noch böser. »Was?«
Tavi drehte den Kopf langsam hin und her, ein gemächliches Kopfschütteln, und flüsterte: »Nichts, nichts.«
»Verrückt«, sagte Kitai, »ihr seid einfach verrückt.« Damit wandte er sich um und schlich in den leuchtenden Wald hinein.
Tavi folgte ihm. Es fiel ihm nicht leicht, den törichten Drang zum Lachen zu unterdrücken. Nach ein paar Dutzend Schritten griff er sich auf den Rücken und nahm Faedes Rucksack von den Schultern. Er öffnete ihn und wühlte darin herum.
Zum Vorschein kamen zwei kleine Gefäße mit Lampenöl, Feuersteine in einem Kistchen mit zwei Fächern, eine kleine Laterne, eine Schachtel mit Spänen, die als Zunder taugten, getrocknetes Fleisch, das zu einem Zopf geflochten war, was Tavi seltsam vorkam, zwei warme Decken, mehrere kurze Stücke einer Angelrute, die man zusammenstecken konnte, Leine und gute Metallhaken.
Und ganz unten fand Tavi ein grässliches, krummes Messer, das einen mit Stacheln versehenen Fingerschutz hatte. Die Klinge war doppelt so lang wie Tavis Hand. Eine Waffe für den Kampf.
Woher hat Faede das? , fragte sich Tavi. Warum hatte der Sklave seinen Rucksack so sorgfältig gepackt und außerdem sogar so bereitstehen gehabt, dass er jeden Moment aufbrechen konnte? Er war so rasch damit aus der Schmiede zurückgekehrt, dass er die Sachen nicht erst noch zusammengesucht haben konnte. Dementsprechend musste Faede vorausgeplant haben.
Tavi schüttelte den Kopf und wäre beinahe gegen Kitai gesto ßen, der plötzlich stehen geblieben war. Er hielt ebenfalls an, so dicht an dem Marat, dass er seine fiebrige Hitze spüren konnte.
»Was denn?«, flüsterte er.
Kitai zitterte und bewegte fast unmerklich den Kopf.
Tavi blickte nach links, nur mit den Augen.
Dort hockte, keine zehn Fuß entfernt, ein Hüter auf einer
knorrigen Wurzel, die aus dem Waldboden ragte. Er war mit einer Schicht Kroatsch überzogen. Sofort begann Tavi, nach einem Weg zu suchen, wie sie den Hüter umgehen konnten.
Eine zweite dieser spinnenartigen Kreaturen saß auf einem wachsverhüllten Ast, ungefähr auf Höhe von Tavis Kopf. Sie erzeugte ein schrilles Zirpen und wippte auf und ab.
Der erste Hüter antwortete in einer anderen Tonhöhe. Auch er wippte dabei. Um sie herum wurde weiteres Zirpen laut, allerdings von Hütern, die nicht zu sehen waren. Von vielen. Von sehr vielen.
Tavi lief es kalt den Rücken hinunter. Er atmete kaum. »Was sollen wir machen?«
»Ich...« Wieder zitterte Kitai, und Tavi sah, dass der Junge die Augen vor Schreck weit aufgerissen hatte. »Ich... weiß es nicht.«
Tavi sah wieder zu dem Hüter, der ihnen am nächsten war. Das Wesen schüttelte den Kopf und suchte, wobei sich die hellen Augen unabhängig voneinander bewegten. Jeweils ein schwarzer Punkt in der Mitte erinnerte schwach an eine Pupille. Die Augen des Hüters wechselten sogar die Farbe, von bleichem Weiß zu Elfenbein bis hin zu einem hellen Orange wie dem einer Kerzenflamme.
In diesem Moment verstummte der Hüter. Beide Augen richteten sich auf die Jungen, und das Wesen
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