Die Elementare von Calderon
stieß ein entsetzlich lautes Pfeifen aus, das an den wilden Schrei eines Vogels erinnerte.
Kitai stockte der Atem, und der Junge sprang vor.
Tavi blickte nach rechts und links und begriff, was die Hüter taten. Auch die Augen des anderen leuchteten jetzt orange, und auch dieses Spinnenwesen wandte sich Kitai zu. Es stieß den gleichen schrillen Schrei aus und setzte sich mit der gleichen täuschenden und dennoch tödlichen Gemächlichkeit in Bewegung.
In diesem Augenblick begriff Tavi, wie die Hüter sie entdeckt hatten, und ihm wurde klar, auf welche Weise die beiden Jungen ihnen entkommen könnten. »Kitai!«, rief er und lief dem Marat hinterher. »Warte!«
Um sie herum ertönten weitere scharfe Pfiffe. Tavi rannte zu Kitai, doch der Marat trug keinen Rucksack und bewegte sich mit der Anmut und der Schnelligkeit eines verängstigten Hirsches. Tavi konnte kaum Schritt halten. Um sie herum versammelten sich die glühenden orangefarbenen Augen der Wachsspinnen und bildeten einen jähen Gegensatz zum grünen Leuchten des Kroatsch .
Wenn Kitai nicht gestolpert wäre an einer kleinen Vertiefung, wo eine der Wachsspinnen vielleicht gerade aus dem Kroatsch gekrochen war, hätte Tavi den anderen Jungen vermutlich nie eingeholt. So riss er Kitai an den wilden Haaren wieder auf die Beine.
»Au!«, zischte Kitai wütend.
»Ruhig!«, sagte Tavi scharf. »Folge mir.«
Kitai blinzelte ihn erschrocken an, aber Tavi ließ ihm keine Gelegenheit, mit ihm zu streiten. Er blickte nach links, lief los und zog den anderen Jungen mit sich. Zusammen rannten sie auf die Felswand zu. Plötzlich tauchte vor ihnen ein Hüter auf. Tavi überwand seine Furcht und lief einfach weiter, auf das Wesen zu.
Die Wachsspinne stellte sich auf die Hinterbeine, als Tavi angestürmt kam, doch kurz bevor er das Wesen erreichte, nahm der Junge den schweren Rucksack mit beiden Armen vor sich und holte aus. Beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren, nach zwei unsicheren Schritten jedoch hatte er sich gefangen, und der schwere Rucksack krachte gegen das Wesen. Der Hüter war leichter, als er aussah. Der Schlag schleuderte die Wachsspinne gegen einen Baum. Dort wurde sie vom Aufprall zermalmt und schlang die Beine um ihren Leib.
Tavi rannte weiter. Um sie herum wurde das Zirpen der Hüter lauter und schriller, und in den Ohren des Jungen klang es wie eine fremdartige Wut.
Schließlich erreichten sie schnaufend die Steilwand. Tavi ließ den Rucksack fallen, legte beide Hände an den Fels und starrte nach oben und zu den Seiten. Im schwachen Licht des Kroatsch sah er sich den dunklen Stein so genau wie möglich an.
»Wir sind weit von den Seilen entfernt«, zischte Kitai. »Hier können wir nicht fliehen.«
»Wir brauchen nicht zu fliehen«, erwiderte Tavi. Er drückte den Mund an den Stein, leckte daran und spuckte aus. Es schmeckte säuerlich nach Kalk. »Da entlang«, sagte er, nahm seinen Rucksack und lief weiter durch den Wachswald, die Felswand immer zu seiner Linken. Während er rannte, wühlte er in der Tasche.
»Sie umzingeln uns«, meinte Kitai kühl. »Treiben uns in die Enge.«
»Wir müssen nicht mehr viel weiter«, sagte Tavi. Er warf Kitai eines der Gefäße mit Öl zu. »Halt das mal.«
Der Marat fing das Gefäß ungeschickt auf und warf Tavi einen bösen Blick zu. »Was ist das?«
»Halt es nur kurz«, entgegnete Tavi. »Ich habe eine Idee.«
Zu seiner Rechten flackerten orangefarbene Augen, und Tavi sah den Hüter, der sich auf ihn stürzte, erst, als der ihn schon fast erreicht hatte. Kitai stellte Tavi ein Bein, und der Aleraner fiel der Länge nach auf den Waldboden.
Die Spinne warf sich auf ihn, verpasste ihn allerdings um Haaresbreite. Sie landete am Fels und hielt sich mit den Beinen an der fast senkrechten Oberfläche fest, dann drehte sie sich um und pfiff. Die Mundwerkzeuge klickten und schlugen gegen den Panzer.
Tavi schaute zu, wie Kitai sein Steinmesser nahm und es warf. Die glasartige Klinge drang in den Kopf der Spinne ein, aus der
grünlich leuchtende Flüssigkeit spritzte, die mit etwas Dunklerem, säuerlich Riechendem vermischt war. Der Hüter sprang erneut, konnte sich jedoch nicht mehr orientieren und landete zuckend weit neben dem Jungen.
Kitai half Tavi auf die Beine. »Ich hoffe, dein Einfall ist gut, Aleraner.«
Tavi zitterte vor Schreck und nickte heftig. »Ja, das hoffe ich auch.« Er lief wieder los, und Kitai folgte ihm.
Einen Augenblick später hörte Tavi Wasser tropfen, beschleunigte
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