Die Elementare von Calderon
zurück. Tavi folgte ihm, kroch auf dem Ast vorwärts und stieß sie dem Hüter ins Gesicht.
Der kreischte laut, verlor den Halt und fiel, wild um sich schlagend, vom Baum. Zwanzig Fuß tiefer krachte er auf die Erde, wo er auf dem Rücken liegen blieb und mit den Beinen strampelte. Aus dem aufgebrochenen Panzer quoll leuchtende Flüssigkeit auf den Waldboden.
Weitere Hüter stürzten herbei. Tavi zog sich von Ast zu Ast höher, bis er einen erreichte, der nicht mehr mit Kroatsch überzogen und außerdem zu dünn war, um das Gewicht des Jungen zu tragen. An dessen Ende hing die brennende Decke. Die Flammen breiteten sich in Richtung Stamm aus.
Mit dem Messer hackte Tavi auf den Ast ein, der Stahl grub sich in das weiche Holz. Dann schob er sich das Messer zwischen die Zähne und riss mit beiden Händen an dem Ast.
Der gab nach, brach und löste sich vom Stamm. In Windeseile stieg Tavi nach unten, und dort angekommen rannte er mit der langen Fackel aus Ast und ölgetränkter Decke auf Kitai zu.
Das Wesen, das vor ihr hockte, sah ihn kommen und wandte sich ihm zischend zu. Es öffnete die Mundwerkzeuge weit und breitete die chitingepanzerten Arme aus. In den tausend Facetten seiner Augen spiegelten sich die Flammen, und das schleimbedeckte Wesen sah irgendwie unfertig aus, als sei es noch nicht ganz zu dem herangewachsen, was es hätte werden sollen. Halb geboren und halb lebendig ließ das Ding die Flügel brummend flattern und sandte schrille Pfiffe an die Hüter aus.
Tavi brüllte und schwang seine selbstgemachte Fackel.
Das Wesen zischte und floh vor den Flammen, wobei es weiterhin unablässig mit den Flügeln flatterte.
Aber es gelang Tavi, das Ungeheuer von Kitai zu verscheuchen. Das Mädchen lag reglos und bleich da, nur die Brust hob und senkte sich mühsam. Tavi schob die Hände unter ihren Armen durch und lud sie sich auf die Schultern. Unter ihrem Gewicht geriet er ins Wanken, dennoch nahm er den brennenden Ast und schwenkte ihn vor sich.
Das Wesen machte einen Satz, landete mehrere Schritt weit von den Seilen entfernt und starrte ihn aus entsetzlichen Augen an.
Oh, Krähen, dachte Tavi. Es weiß Bescheid. Es weiß, dass ich zu den Seilen will.
Wenn er stehen blieb, war es aus mit ihm. Selbst wenn das Wespenwesen sich nicht auf ihn stürzte, würden bald Heerscharen von Hütern über ihn herfallen. Die Kraft der Verzweiflung ließ nach, seine Muskeln brannten unter der Anstrengung. Wenigstens Kitai musste er zu den Seilen bringen. Er konnte sie daran festbinden, und dann könnte Doroga sie hochziehen.
Doroga. Tavi blickte an der Felswand empor und sah den blassen Marat. Dann rief der Häuptling herunter: »Nur Mut, Taljunge!«, und verschwand hinter der Kante.
Eine Chance hatte er immer noch. Er schwenkte den brennenden Ast und eilte auf das große Wesen zu, das flink und seitlich wie ein Krebs an der Wand emporhuschte. Tavi entdeckte einen Vorsprung im Fels. Gar nicht gut. Er musste es zu sich locken, zu den Seilen.
Verzweifelt biss er auf die Klinge zwischen seinen Zähnen. »Oh, gute Elementare«, nuschelte er. »Hoffentlich geht das gut, Kitai.« Ohne große Umstände setzte er das Mädchen auf dem Boden ab, schnappte sich das Seil, das er zuerst erreichen konnte, und begann zu klettern.
Das Wespenwesen pfiff und krabbelte auf ihn zu. Er wusste, er würde diesem Tier nicht entkommen oder es im Kampf besiegen können, solange er am Seil hing, dennoch nahm er das Messer aus dem Mund und fuchtelte in Richtung des Gegners damit herum.
»Doroga!«, brüllte Tavi. »Da ist es! Da!«
Von oben hörte er Doroga einen tiefen Schrei ausstoßen, in dem Wut und Trotz mitschwangen.
Tavi hätte nie geglaubt, dass der Mann einen derart schweren Felsen hätte stemmen können. Aber Doroga tauchte oben wieder auf und hielt einen Stein von der Größe eines Sarges über dem Kopf. Die Muskeln an Armen, Beinen und Schultern traten deutlich hervor. Er stieß den Brocken mit dem ganzen Körper von sich, und der Fels fiel in die Tiefe.
Das Wesen drehte den Kopf und schaute sich um, nach oben. Die Flügel summten, doch war es nicht schnell genug, um dem Geschoss vollständig zu entkommen. Mit einem Fingerbreit Abstand sauste es an Tavi vorbei. Es wollte fort von der Felswand, doch der Stein traf es, und von der Wucht des Aufpralls wurde es weit davongeschleudert. Der Stein krachte auf den Boden und zersprang. Felssplitter flogen in alle Richtungen, das leuchtende Kroatsch spritzte wie eine Fontäne in die
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