Die Elementare von Calderon
Hüter, der sich an der brennenden Decke und dem Ast vorbeischob. Hastig stand Tavi auf, hob Kitai hoch und taumelte zu den Seilen. Er trat in die Schlaufe des einen und schlang das andere um seine Hüfte und um ihre Beine. Noch bevor er damit fertig war, begann Doroga zu ziehen. Hashat holte offensichtlich das zweite Seil ein.
Tavi hielt sich am Seil und an Kitai fest, und er hatte keine Ahnung, was er fester packte. Benommen schloss er die Augen und öffnete sie erst wieder, als er und Kitai oben angekommen waren und im kalten, sauberen Schnee saßen. Da lehnte er mit dem Rücken an einem Stein und bemerkte die frische Erde neben sich an der Stelle, von der Doroga den Felsen hochgewuchtet und hinabgeworfen hatte.
Einen Augenblick später sah er Kitai, die sich unter einem seiner Arme an ihn schmiegte, warm und kraftlos und halb bewusstlos. Sanft zog er sie fester an sich und wünschte sich nur, sie beide könnten ewig so dasitzen.
Hashat starrte die beiden an, mit großen Augen und verwirrt, zunehmend jedoch empörter. Sie wandte sich an Doroga und fragte: »Was wirst du jetzt tun?«
Der Häuptling, dessen Muskeln von der Anstrengung deutlich hervorgetreten waren, legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Du weißt es doch genauso gut wie ich, Hashat. Es ist vorbei.«
Die Anführerin des Pferdeclans blickte ihn finster an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Von einem solchen Ausgang habe ich noch nie gehört«, sagte sie. »Das ist unannehmbar.«
»Unannehmbar, ja«, knurrte Doroga. »Aber wir haben jetzt andere Dinge zu tun.«
Hashat schüttelte sich die Mähne aus den Augen. »Mir gefällt das nicht«, sagte sie. »Es war eine List. Du hast mich überlistet.«
Dorogas Augen funkelten, und er lächelte, erwiderte aber ernst: »Vergiss nicht, weshalb wir eigentlich hier sind, Hashat.«
»Um ein Urteil zu erlangen«, sagte die Maratfrau und wandte sich an Tavi. »Nun, Aleraner? Hast du den Segen der Nacht mitgebracht?«
Tavi schauderte und kam sich vor wie ein Dummkopf. Er hatte es vergessen. Bei all der Aufregung hatte er das Urteil vergessen und auch, dass er den Pilz, den er Kitai verabreicht hatte, eigentlich brauchte, um zu siegen. Er hatte zwar dem Mädchen das Leben gerettet, aber in dem Gericht vor Dem Einen verloren. Sein eigenes Leben war verwirkt. Und die Marat würden vereint seine Heimat überfallen.
»Ich...«, brachte Tavi heraus. Er griff in den Beutel an seinem Gürtel - und fühlte warme Finger.
Tavi warf einen Blick darauf und sah gerade noch, wie Kitai ihre Hand zurückzog. Sie blickte ihn an, und von ihren Augen las er mehr als stillen Dank und Respekt vor seinem Mut ab.
»Aber es war so dumm«, flüsterte sie. Dann schloss sie die Augen wieder.
Wortlos wühlte Tavi im Beutel und fand den zweiten Segen der Nacht, den Kitai hineingelegt hatte. Er reichte ihn dem Häuptling der Garganten.
Doroga ließ sich vor Tavi auf die Knie nieder und nahm den Segen mit ernster Miene entgegen. Er betrachtete den Pilz, dann begutachtete er Kitais Wunde am Bein, wo das gelbe Gift langsam trocknete. Plötzlich begriff er, riss die Augen weit auf und starrte Tavi an. Der Junge ahnte, dass der Häuptling sich recht genau zusammenreimen konnte, was unten in dem fremdartigen Tal geschehen war.
Doroga bedachte Kitai mit einem sanften Blick und legte ihr die riesige Hand auf den Kopf. Dann sah er wieder Tavi an. »Ich
habe ihre Mutter sehr geliebt. Kitai ist alles, was mir von ihr geblieben ist. Du hast Mut, Aleraner. Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt, um ihres zu retten. Und damit hast du nicht nur einen Marat gerettet, den ich liebe, sondern zwei. Die meine Familie sind.«
Der Marat erhob sich und reichte Tavi die Hand. »Du hast meine Familie und mein Heim beschützt. Der Eine verlangt, dass ich diese Schuld begleiche, Aleraner.«
Tavi holte tief Luft und sah von Doroga zu Hashat. Die Augen der Pferdekriegerin glänzten plötzlich aufgeregt, und sie legte beide Hände auf den Griff ihres Säbels.
»Komm, junger Mann«, sagte Doroga leise. »Meine Tochter braucht Ruhe. Und wenn ich meine Schuld begleichen will, muss ich mich an die Arbeit machen. Wirst du mich begleiten?«
Tavi antwortete, und seine Stimme erschien ihm ungewohnt tief und fest. »Ich werde dich begleiten.«
Er ergriff Dorogas Hand. Der riesige Marathäuptling lächelte grimmig und zeigte dabei die Zähne, dann zog er Tavi auf die Beine.
35
Niedergeschlagen nahm Amara ihren Gurt ab und schlug mit der
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