Die Elementare von Calderon
sein Herz schlug zu schnell. »Onkel? Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Es tut ganz schön weh. Du musst mit mir reden, bis es ein wenig besser geworden ist.«
Tavi biss sich auf die Unterlippe. »Gut. Was war das für ein Vieh?«
»Ein Herdentöter. Die kommen eigentlich nur weiter im Süden
vor. Meistens im Fieberdorndschungel. Habe nie gehört, dass sie sich so weit im Norden herumtreiben. Oder dass sie so groß sein können.«
»Töten sie aus reinem Vergnügen?«
»Nein. Sie sind einfach zu dumm und wissen nicht, wann sie aufhören müssen. Sobald sie Blut wittern, reißen sie alles in Stücke, was sich bewegt.«
Tavi schluckte und nickte. »Sind wir immer noch in Gefahr?«
»Möglicherweise. Herdentöter jagen in Paaren. Schau dir den Vogel an.«
»Wie bitte?«
»Schau dir diesen krähenzerfressenen Vogel an, Junge«, knurrte Bernard.
Tavi stand auf und ging zu dem Herdentöter. Das freie Bein zuckte, die Krallen öffneten und schlossen sich krampfhaft. Der Gestank von Innereien umgab das Tier, und Tavi hielt den Atem an und bedeckte Mund und Nase mit einer Hand.
Bernard setzte sich auf und stöhnte, wobei sein Kopf kurz zur Seite fiel, und der Onkel musste sich mit den Händen auf dem Boden abstützen. »Du hast ihn schon mit dem ersten Hieb getötet, Tavi. Danach hättest du ein Stück zurückgehen und das Biest sterben lassen sollen.«
»Aber es hat weitergekämpft«, meinte Tavi.
Bernard schüttelte den Kopf. »Du hast ihm den Hals aufgeschlitzt. Es hätte sich nicht mehr lange gewehrt. Nur dauert es eine Weile, bis es verblutet ist, und in dieser Zeit können sie dich noch mit in den Tod reißen. Sieh dir den Hals an. Gleich hinter dem Kopf.«
Tavi riss sich zusammen, ging um den Kadaver und Brutus herum, bis er hinter dem Schnabel des Vogels stand und sich die Stelle anschaute, die sein Onkel gemeint hatte.
Dort befand sich eine unregelmäßige Stelle. Tavi kniete sich hin und strich die Federn zögernd zur Seite.
Ein geflochtener Reif aus verschiedenen Arten rauen Stoffes schloss sich um den Hals und drückte leicht in die Muskeln. »Hier ist so ein Halsband«, sagte Tavi.
»Woraus ist es gemacht?«, knurrte Bernard.
»Ich weiß nicht recht. Stoff und Leder, ineinander verflochten. So etwas habe ich, glaube ich, noch nie gesehen.«
»Ein Marat-Band. Wir müssen aus dem Ödland verschwinden, Tavi.«
Tavi blickte erschrocken auf. »Im Calderon-Tal gibt es keine Marat, Onkel. Die Legionen sorgen dafür. Seit der großen Schlacht vor vielen Jahren hat man hier keinen Marat mehr gesehen.«
Bernard nickte. »Das war vor deiner Geburt. Aber die zwei Kohorten in Kaserna können die Marat nicht unbedingt aufhalten, wenn sie in kleiner Zahl kommen. Irgendwo in der Nähe treibt sich ein Krieger herum, und der wird nicht gerade glücklich darüber sein, dass wir seinen Vogel getötet haben. Und das Männchen ebenfalls nicht.«
»Männchen?«
»Die Stellen da auf dem Kopf. Paarungsnarben. Wir haben das Weibchen getötet.«
Tavi schluckte. »Dann sollten wir vielleicht tatsächlich lieber verschwinden.«
Wieder nickte Bernard, allerdings schwach und müde. »Komm her, Junge.«
Tavi ging hinüber zu seinem Onkel und kniete sich neben ihn. Eins der Schafe blökte, und Tavi blickte stirnrunzelnd auf. Die kleine Herde lief durcheinander, und Gauner trabte herum und scheuchte sie mit seinen Hörnern rau zusammen.
»Brutus«, sagte Bernard barsch. Er holte tief Luft und nahm all seine Kraft zusammen. »Lass den Vogel los. Bring uns beide nach Hause.«
Der Steinhund ließ von dem Vogel ab und wandte sich Bernard zu. Dann versank der Elementar in der Erde. Tavi fühlte, wie die
Stelle, an der er kniete, erbebte und sich zu bewegen begann. Gequälter Fels ächzte, und eine Scheibe von ungefähr fünf Fuß Durchmesser hob sich unter ihnen und glitt in Richtung Süden wie ein Floß auf einem langsam dahinziehenden Fluss. Das Erdfloß driftete auf den Eingang zu der kleinen Lichtung zu und gewann langsam an Geschwindigkeit.
Bernard murmelte: »Weck mich auf, wenn wir zu Hause sind.« Damit legte er sich hin, schloss die Augen, und sein Körper er schlaffte.
»Onkel Bernard«, sagte Tavi und hörte, wie schrill und ängstlich seine Stimme klang. »Onkel Bernard, ich glaube, da kommt etwas.«
Doch Bernard reagierte nicht. Tavi suchte nach dem Schwert seines Onkels, aber das hatte er neben dem Herdentöter liegen gelassen, und inzwischen war es zwei Dutzend Schritte entfernt. Niedergeschlagen ballte
Weitere Kostenlose Bücher