Die Elementare von Calderon
trank einen Schluck. »Kannst du bitte Kord ein wenig im Auge behalten? Sag mir Bescheid, wenn er oder einer seiner Söhne die Scheune verlässt. Ja?«
Faede nickte heftig, sein Haar flog hin und her. Ein wenig Speichel tropfte aus dem halb offenen Mund. »Auge auf Kord«, wiederholte er. »Scheune.« Er runzelte die Stirn, starrte einen Moment lang ins Leere und zeigte dann auf sie. »Aufpassen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin zu müde. Sag einfach nur Bescheid, wenn sie die Scheune verlassen. Verstanden?«
»Scheune verlassen«, sagte Faede. Er wischte sich den Speichel mit dem Ärmel ab. »Bescheid sagen.«
»Genau«, antwortete sie und lächelte ihn müde an. »Danke, Faede.«
Faede johlte vergnügt und grinste. »Gern geschehen.«
»Faede, aber du solltest besser nicht in die Scheune gehen. Die Kordhöfer sind dort, und ich nehme an, sie werden dich nicht gerade freundlich behandeln.«
»Unk«, sagte der Sklave. »Aufpassen, Scheune, sagen.« Er drehte sich um und schlurfte trotz des lahmen Fußes schnell davon.
Isana überließ der alten Biette die Aufsicht über die Küche und zog sich auf ihr Zimmer zurück. Sie setzte sich aufs Bett und faltete die Hände im Schoß. Ihr war flau im Magen, und so zwang sie sich, ruhig zu atmen. Den schlimmsten Ärger hatte sie verhindert,
und auf Faede konnte sie sich verlassen, auch wenn er nicht gut sprechen konnte und von einfachem Gemüt war. Er würde sie rechtzeitig warnen.
Nein, sie machte sich Sorgen wegen Tavi, und zwar mehr als je zuvor. Bei Bernard war er in Sicherheit, trotzdem blieb ein starkes Unbehagen. Die Kiefernsenke war das gefährlichste Stück Land im Tal, aber mit ihren müden Sinnen empfand sie eine Bedrohung, die deutlich darüber hinausging. Etwas Schweres lag in der Luft des Tals, etwas Unheilverkündendes. Da hatten sich Mächte versammelt, deren Stärke bei weitem die des Sturms übertraf, den Garados zusammenbraute.
Sie legte sich aufs Bett. »Bitte«, flüsterte sie erschöpft. »Große Elementare, passt auf ihn auf.«
5
Tavi hatte Gauners Fährte innerhalb von einer Stunde aufgespürt, doch von da an gestaltete sich die Sache schwieriger. Er suchte die Herde den ganzen Morgen über bis zum frühen Vormittag und machte nur kurz Pause, um aus einem eiskalten Bach zu trinken und ein wenig von dem Käse und gesalzenen Hammelfleisch zu essen, das sein Onkel eingepackt hatte. Gauner führte Tavi hübsch an der Nase herum und zog durch das Ödland mal hierhin, mal dorthin.
Garados wirkte noch größer und düsterer mit all den Sturmwolken, die sich dort zusammenballten, trotzdem beachtete Tavi
den Berg nicht und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Endlich entdeckte er den gerissenen Widder und seine Herde.
Er konnte die Schafe hören, noch bevor er sie sah; eines der Mutterschafe blökte klagend. Tavi blickte sich zu seinem Onkel um, der einige Dutzend Schritte hinter ihm ging, und winkte ihm zu, damit Bernard wusste, dass er die Tiere gefunden hatte. Dabei konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen, und sein Onkel antwortete mit einem Lächeln.
Gauner hatte die Herde in ein dichtes Brombeergestrüpp geführt, das so hoch wuchs, wie Tavi groß war, und hundert Fuß Durchmesser hatte. Tavi sah die geschwungenen Hörner des Widders und näherte sich dem alten Tier vorsichtig, wie er es gewohnt war. Gauner schnaubte, scharrte mit den Vorderhufen in der Erde und schüttelte drohend die Hörner. Tavi beobachtete den Bock stirnrunzelnd und ging noch langsamer. Gauner wog mehr als fünf Zentner, und die zähe Rasse der Bergschafe, die das Grenzvolk von Alera bevorzugte, konnte sich durchaus gegen Thanadente und Schlimmeres verteidigen und wurde äußerst aggressiv, wenn man sie bedrohte. Schon mancher Schäfer hatte zu große Sorglosigkeit beim Angriff eines durchgedrehten Tieres mit dem Leben bezahlt.
Tavi stieg ein durchdringender, süßlicher Geruch in die Nase, der ihn veranlasste, stehen zu bleiben. Es roch nach geschlachtetem Schaf, nach Innereien und Blut.
Da stimmte etwas nicht.
Vorsichtig ging Tavi auf die Tiere zu und ließ den Blick aufmerksam schweifen. Wenige Schritte vor dem Brombeergebüsch fand er das erste tote Schaf, ein Lamm. Er kniete sich hin, betrachtete die Überreste und suchte nach Hinweisen darauf, wodurch das Tier zu Tode gekommen war.
Die Schleichen waren es nicht gewesen. Schleichen konnten durchaus junge Schafe töten, sogar ausgewachsene, wenn sie in ausreichender Zahl auftraten, doch die giftigen
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