Die Elementare von Calderon
goldbraune Haut wie die Händler aus den südlichen Städten Aleras. Ihr Haar war glatt und fein, wurde vom Wind hin und her gepeitscht und hatte fast die gleiche Farbe wie die Haut, wodurch sie entfernt an eine goldene Statue erinnerte. Das Gesicht mochte man nicht unbedingt schön nennen, doch war es mit den hohen Wangenknochen, der langen schmalen Nase und dem großen Mund hübsch anzusehen.
In ihrer Miene mischten sich Verzweiflung und Trotz. Um den Arm trug sie ein blutiges Tuch, und es schien, sie habe den Stoff von ihren zerfetzten Röcken abgerissen. Ihre Bluse war schmutzig und klebte ihr nass am Leibe, und um den schlanken Hals lag ein aus Leder geflochtener Sklavenring.
Das Mädchen schrie, stieß eine Hand in Richtung einer Windmähne, und Tavi sah ein helles bläuliches Wesen in der Luft. Es war nicht so deutlich umrissen wie die Windmähnen selbst, doch schlug diese geisterhafte Erscheinung in Gestalt eines Pferdes mit den Vorderhufen nach der Angreiferin aus. Die Windmähne schrie auf und wich zurück, der Elementar der Frau drängte vorwärts, wenngleich behäbiger und langsamer als die Mähnen. Drei weitere Windmähnen stießen auf den Luftelementar herab, und die Frau verlagerte ihr Gewicht von einem Stock, auf den sie sich stützte, hinkte vor und schlug verzweifelt nach den Sturmwesen.
Tavi reagierte, ohne nachzudenken. Er rannte wankend los und packte dabei seinen Beutel. In der Dunkelheit zwischen den Blitzen
drohte er zu stolpern, doch einen Atemzug später hellten sich die Wolken wieder auf. Blau, rot und grün rangen um die Vorherrschaft am Himmel.
Eine der Windmähnen wandte sich ihm zu und preschte durch den kalten Regen heran. Tavi kramte ein kleines Päckchen aus seinem Beutel und riss es auf. Die Windmähne stieß einen markerschütternden Schrei aus und streckte die Krallen auseinander.
Tavi nahm die Salzkristalle aus dem Päckchen und schleuderte einen Teil davon der Windmähne entgegen, die ihn angriff.
Ein halbes Dutzend Kristalle durchbohrten den wilden Elementargeist wie Bleigewichte, die durch zarten Stoff fallen. Die Windmähne kreischte vor Schmerz, ein Laut, der Tavi einen Schauder über den Rücken jagte. Sie rollte sich zusammen, grüne Flammen loderten auf, hüllten das Geistwesen ein und rissen es auseinander, wo die Kristalle getroffen hatten. Sekunden später war die Mähne in kleinere Stücke zerfallen, die der Orkan mit sich nahm.
Ihre Artgenossen zogen sich zurück und tobten vor Wut. Die Sklavin sah Tavi an, und in ihren Augen entdeckte er Verzweiflung und Hoffnung. Sie umklammerte ihren Stock und humpelte zu ihm herüber. Die unscharfe Gestalt ihres Elementars wurde wieder unsichtbar, nachdem die Windmähnen von ihr abgelassen hatten.
»Salz?«, rief sie durch den Sturm. »Du hast Salz?«
Tavi gelang es, Luft zu holen und zurückzuschreien: »Nicht viel!« Das Herz schlug ihm bis zum Hals; er eilte zu der Sklavin, schaute sich um und entdeckte die schwach phosphoreszierenden Windmähnen, die sie in gehörigem Abstand weiter umkreisten. »Verdammte Krähen!«, fluchte er. »Wir können hier nicht bleiben. So viele habe ich noch nie in einem Sturm gesehen.«
Die Sklavin starrte zitternd in die Dunkelheit, aber ihre Stimme war jetzt gut zu verstehen. »Können deine Elementare uns überhaupt beschützen?«
Tavi verspürte einen heftigen Stich. Natürlich konnten sie das nicht, da er gar keine hatte. »Nein.«
»Dann müssen wir uns einen Unterschlupf suchen. Bei dem Berg da. Vielleicht finden wir eine Höhle -«
»Nein!«, brüllte Tavi. »Nicht zu dem Berg. Der mag keine Reisenden.«
Das Mädchen drückte sich die Hand an den Kopf und schnaufte. Sie schien erschöpft zu sein. »Haben wir eine andere Wahl?«
Tavi zermarterte sein Hirn, um sich zu entsinnen, doch Erschöpfung und Kälte machten ihn langsam, und seine Gedanken bewegten sich so träge wie eine schneebedeckte Schleiche. Da war doch etwas, das Rettung versprach, wenn es ihm nur einfallen würde. »Ja!«, rief er schließlich. »Ich weiß eine Stelle. Ist nicht weit von hier, wenn ich sie finde.«
»Wie weit?«, fragte die Sklavin und schaute zu den Windmähnen, die sie weiterhin umkreisten. Ihre Stimme zitterte genauso heftig wie ihr ausgekühlter Körper.
»Eine Meile. Vielleicht ein wenig weiter.«
»In dieser Dunkelheit? In diesem Sturm?« Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Das schaffen wir nie.«
»Wir haben nicht gerade viel Auswahl«, rief Tavi durch den Wind. »Sonst fällt
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