Die Elementare von Calderon
Gedanken, übermittelte dem Elementar ein Bild und eine Aufgabe. Als Reaktion darauf kam Bächlein näher, in den gleichen Raum, den Isanas Bewusstsein in Anspruch nahm. Die Gegenwart des Elementars überlagerte sich mit ihrer eigenen, und sie konnte beide
nicht mehr eindeutig unterscheiden. Kurz verlor Isana ein wenig die Orientierung, als sie und der Elementar sich vereinigten. Dann jedoch strömten Bächleins Wahrnehmungen gemächlich auf sie ein, als Geräusche, als neblige Bilder und immer wieder als ein Schwall nahezu greifbarer Gefühle.
Sie betrachtete Bernards vage erkennbaren, bleichen und ihren eigenen verschwommenen Leib. Roths und Ottos Elementare schwebten tatbereit vor ihr im Wasser und waren jetzt als zwei wolkige Gestalten in blassen Farben für sie erkennbar.
Sie sprach nicht, doch von diesem Ort war es ein Leichtes, die Worte durch die Elementare an Roth und Otto zu übermitteln. »Kümmert euch um die Wunde. Ich übernehme den Rest.«
Die beiden anderen Elementare machten sich sofort an die Arbeit, sammelten die roten Blutströpfchen ein, die sich im Badewasser ausbreiteten, und scheuchten sie zurück in die klaffende Wunde an Bernards Bein.
Isana wartete nicht ab, bis die Elementare fertig waren. Stattdessen schob sie sich näher an die schwindende Aura um ihren Bruder heran, konzentrierte sich darauf und auf ein viel stärkeres Trommeln des Lebens in einem Körper, dessen Hände an Bernards Hals lagen - ihres eigenen.
Sie wusste, was sie nun unternehmen würde, war gefährlich. Die Anima des Lebens war nicht leicht zu berühren und ebenso schwierig zu beeinflussen. Diese Kraft war so mächtig und wenig vorhersagbar wie das Leben an sich - und ebenso empfindlich. Doch das Risiko kümmerte Isana nicht. Sie musste den Versuch wagen.
Isana ließ sich vorantreiben und stellte den Kontakt mit dem schwachen, schwindenden Zittern um Bernard her. Dann berührte sie das Vibrieren ihres eigenen Körpers und fügte beide zusammen, ließ sie verschmelzen, zog Energie aus ihrem Körper und umgab sie beide damit, was eine sofortige, heftige Reaktion hervorrief.
Bernards Körper zuckte heftig, urplötzlich spannten sich alle Muskeln in ihm an. Der Rücken wölbte sich auf, und die blinden Augen standen weit offen. Mit schwerem Schlag pumpte das Herz, dann wieder und noch einmal. Isana empfand ein Hochgefühl, und mit Bächlein zusammen drang sie durch die Beinwunde in Bernard ein, fühlte sich plötzlich wie eingesperrt und streckte sich durch hunderte von Blutgefäßen aus, wobei ihr Bewusstsein sich in eine Vielzahl von Schichten aufspaltete. Sie spürte das schwache Herz, den Schmerz in den Beinen, die beängstigende Kälte des nahenden Todes. Sie spürte die Verwirrung, die Enttäuschung, die Furcht; all diese Gefühle stießen wie ein Messer in ihr Herz. Sie fühlte, wie sein Körper gegen die Verletzungen ankämpfte. Scheiterte. Starb.
Als Nächstes erfolgte keineswegs ein Prozess logischen Denkens mit Stimulus und Reaktion, mit Methode und Verstand. Ihre Gedanken waren viel zu stark aufgeteilt, bewegten sich in zu viele Richtungen, um sie klar zu steuern. So blieb es ihrem Instinkt überlassen, ihrer Fähigkeit, den bewussten Willen freizugeben, in Bernard hineinzugelangen, jeden Teil des Ganzen zu erfühlen und im Anschluss daran wiederherzustellen.
Sie spürte einen wachsenden Druck auf sich, eine Anspannung wie von stählernen Ketten, die sich langsam und unausweichlich über ihre Myriaden von Gedanken legte und diese zum Verstummen brachte. Sie kämpfte gegen diese Stummheit an, rang um ihr Bewusstsein, ihr Leben, das überall in Bernards verwundetem Leib sprühte. So warf sie sich in diesen Kampf und lehnte sich gegen den Tod auf, während sie um sich herum und durch sich und in sich jeden bebenden, unsicheren Schlag des überanstrengten Herzens fühlte.
Sie klammerte sich an sein Leben. Roths und Ottos Elementare schickten Blut zurück in den geschundenen Leib. Sie krallte sich an Bernard, derweil sich die beiden Wasserbeschwörer mit der eigentlichen Wunde beschäftigten, das Fleisch zusammenfügten
und die ausgefransten Ränder schlossen. Sie hielt sich mit aller Kraft fest. Aber dann, in der schrecklichen Leere zwischen zwei Herzschlägen, konnte sie nicht länger zugreifen. Sie verlor ihn.
Über Bächlein erreichte Roth sie und drängte, sich zurückzuziehen, in ihren eigenen Körper heimzukehren und sich selbst zu retten. Sie weigerte sich, rief noch mehr Energie aus ihrem Leib und
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